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Donnerstag, 11. April 2013

ein wenig Hintergrund zum gemeinsamen Vertreter im SchVG 1899 in der Insolvenz // Hans-Gert Vogel 1999


ein wenig Hintergrund zum gemeinsamen Vertreter im SchVG 1899 in der Insolvenz // Hans-Gert Vogel 1999

cc. Der Gläubigervertreter im Insolvenzverfahren

Die "relative Untemehmensverbundenheit" der Obligationäre wird nach Eintritt der Insolvenz
des Schuldneruntemehmens besonders deutlich. Nicht zuletzt im Hinblick auf
praktische Gesichtspunkte ist das Vorhandensein eines Obligtionärsvertreters im Insolvenzverfahren
besonders angezeigt472. Dennoch ging das SchVG nicht so weit, eine gesonderte
Obligationärsvertretung im Insolvenzverfahren als zwingend vorzuschreiben.
Nach §§ 18 Abs. 3, 19a SchVG ist unverzüglich nach Eröffnung des Konkurs- oder
Vergleichsverfahrens eine Gläubigerversammlung einzuberufen, um über die Bestellung
eines gemeinsamen Vertreteres im Insolvenzverfahren zu beschließen, sofern ein solcher
bislang nicht bestellt wurde473. Die Schuldverschreibungsgläubiger sollen lediglich veranlaßt
werden, sich zu erklären, ob sie einen Vertreter im Insolvenzverfahren wünschen
oder nicht. Eine Pflicht zu Vertreterbestellung besteht nicht. Diesbezüglich bringt auch
die Insolvenzrechtsreform 1999 keine Änderung.
§ 18 Abs. 2 SchVG schränkt die ansonsten bestehenden Mitwirkungsmöglichkeiten
des Gläubigervertreters zugunsten des Konkursgerichts ein. So kann er etwa nicht zum
Vorsitzenden der Gläubigerversammlung bestellt werden. Auch das Recht zur Einberufung
der Gläubigerversammlung steht nur dem Konkursgericht zu.
Wird für das Insolvenzverfahren ein gemeinsamer Vertreter der Schuldverschreibungsbesitzer
bestellt, so finden auf ihn die allgemeinen Vorschriften des § 14 SchVG
Anwendung. Dies erlangt Bedeutung namentlich im Hinblick auf § 14 Abs. 2 SchVG,
wonach, bei Nichtvorliegen eines anderslautenden Gläubigerbeschlusses, jeder Einzelobligationär
seine Rechte auch gesondert als Konkursgläubiger wahrnehmen kann474.
Zwingend ist dies für die Erhebung der Beträge in § 19 Satz 2 SchVG angeordnet. Der
Umfang der Vertreterbefugnisse ist bei der Bestellung festzusetzen, § 14 Abs. 1 SchVG.
Die Vertretungsmacht kann auf bestimmte Rechtshandlungen, etwa auf die Anmeldung
der Forderung, beschränkt werden.
Wird der Gläubigervertreter ganz allgemein zur Wahrnehmung der Gläubigerrechte
im Insolvenzverfahren ermächtigt, so hat er die Forderungen der gesamten Schuldverschreibungsgläubiger
anzumelden und für deren Durchsetzung einzutreten, §§ 19, 19a
SchVG. Dabei modifiziert die Vorschrift des § 19 Satz 1 SchVG die allgemeinen Regeln

471 Vgl. im Einzelnen Ansmann, § 14, Anm. 15 f.; Bonschab, § 14, Anm. Il.b.
472 Siehe oben § 1 I. zum Südmilch-Vergleich; Göppert/Trendelenburg, § 18, Anm. 5; Seuffert,
ZcP 27 (1900), 101, 119 ff; vgl. auch die Regierungsbegründung zu Art. 53 EGInsO, BTDrucks.
12/3803, 97.
473 Siehe auch oben II.6.
474 Siehe dazu auch unten d.
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der Konkursordnung in zweierlei Hinsicht: Zum einen erfolgt die Anmeldung der Forderungen
aus den Schuldverschreibungen nicht auf den Namen der Inhaber, sondern es
wird lediglich der Gesamtbetrag der nach Ausweis der Geschäftsunterlagen des Schuldners
noch umlaufenden und nicht im Besitz der Konkursmasse befindlichen Schuldverschreibungen
unter Angabe der Nummern angemeldet. Zum anderen bedarf es nicht der
Einreichung der effektiven Stücke oder einer Abschrift der Papiere. Diese Regelung dient
der Verfahrensvereinfachung und soll zugleich eine erhöhte Gewähr für die ordnungsgemäße
Befriedigung der Besitzer von Schuldverschreibungen bieten. Indem die Urkunden
zunächst in den Händen der Besitzer belassen werden475, sollen diese in der Lage bleiben,
über die Papiere unbeschränkt zu verfugen. Desweiteren spielte für den Gesetzgeber die
Erwägung eine Rolle, daß der Zwang zur Berücksichtigung der Forderungen aus den
Wertpapieren auch ohne Vorlegung der Urkunden einen Ausschluß derjenigen Obligationäre
verhindere, die sich verspätet melden476.
Vorbehaltlich einschränkender Weisungen durch die Versammlung, § 14 Abs. 1
SchVG, nimmt der Gläubigervertreter im Insolvenzverfahren sämtliche Rechte der Einzelgläubiger
wahr, die diesen ansonsten selbst zustünden. Insbesondere übt er in den
Versammlungen der Insolvenzgläubiger das Stimmrecht für die Obligationäre aus. Bei
der Abstimmung über einen Vergleich oder Zwangsvergleich kann er dabei nur einheitlich
für alle Obligationäre stimmen477. Wegen der Vorschrift des § 14 Abs. 3 SchVG gilt
dabei folgende Besonderheit: Gegen den Vergleichsvorschlag kann der Vertreter immer
stimmen, sofern er nicht bei seiner Bestellung entsprechend beschränkt wurde. Aber für
den Vergleichsvorschlag zu stimmen, ist er nicht ohne weiteres berechtigt. Da nämlich
bei einem Vergleich oder Zwangsvergleich auf Rechte der Obligationäre an Kapital oder
Zinsen verzichtet wird, bedarf der Vertreter hier zur Zustimmung eines ihn besonders
ermächtigenden Beschlusses, der den qualifizierten Mehrheitserfordemissen des § 11
Abs. 2 SchVG sowie dem Gleichbehandlungsgebot des § 12 Abs. 1 SchVG unterliegt.
Seitens des Gesetzgebers werden derzeit offensichtlich Überlegungen angestellt,
durch die Aussetzung der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 3 SchVG im Insolvenzverfahren,
hier eine Erleichterung zu schaffen. So wird in der Begründung zu Art. 53
EGInsO478 betont, daß die darin enthaltenen Neuregelungen nur vorläufig davon absehen,
die Geltendmachung der Gläubigerrechte im Insolvenzverfahren durch eine Regelung
zu erleichtern, nach der entgegen § 14 Abs. 3 SchVG der Gläubigervertreter im
Insolvenzverfahren auch ohne besonderen Beschluß der Gläubigerversammlung zu einem
Verzicht auf Gläubigerrechte berechtigt ist. Eine derartige Regelung würde es ermöglichen,
den Vertreter stets als ermächtigt anzusehen, für die Gläubiger über einen Insolvenzplan
nach Maßgabe der künftigen InsO abzustimmen. Den Erfordernissen des Min475
Erst bei Verteilung der auf die Schuldverschreibungen entfallenden Beträge muß sich der
einzelne Obligationär als solcher legitimieren.

476 Regierungsbegriindung, a.a.O., Fn. 1, 917.
477 Siehe oben II.6.
478 A.a.0., Fn. 472.
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derheitenschutzes könnte dadurch Genüge getan werden, daß jedem Gläubiger das Recht
eingeräumt wird, im Abstimmungstermin seinen Widerspruch zu Protokoll zu erklären,
§251 InsO.
d. A usschluß der selbständigen Rechtsverfolgung
Soweit der Vertreter zur Geltendmachung von Rechten der Gläubiger ermächtigt ist,
kann durch Beschluß der Gläubigerversammlung die Befugnis der einzelnen Obligationäre
zur selbständigen Geltendmachung ausgeschlossen werden, § 14 Abs. 2 SchVG. Gemäß
§ 14 Abs. 2 SchVG bedarf also die Sperrung individuellen Vorgehens infolge der
Bestellung eines Gläubigervertreters eines zusätzlichen Beschlusses479. Unter der
"Geltendmachung von Rechten" ist dabei nicht nur die gerichtliche Verfolgung von Ansprüchen480,
wie etwa die Anmeldung im Vergleichsverfahren, sondern auch jede andere
Art der Ausübung von Gläubigerrechten, wie zum Beispiel die Kündigung der Forderung
oder die Entgegennahme von Zahlungen des Schuldners481, zu verstehen. Ein solcher
Beschluß bedarf der qualifizierten Mehrheit des § 11 Abs. 2-4 SchVG und ist wie die
Berufung der Gläubigerversammlung bekanntzumachen, §§ 14 Abs. 2, 12 Abs. 3, 6 Abs.
1 SchVG. Obwohl auf die Bestimmung des § 12 Abs. 2 SchVG in diesem Zusammenhang
nicht Bezug genommen wird, dürfte dennoch die Befugnis zur selbständigen Geltendmachung
ihrer Rechte nur allen Gläubigern gleichmäßig entzogen werden können482
Mit dem Ausschluß der Einzelgläubiger von der selbständigen Rechtsverfolgung verfolgte
der Gesetzgeber den Zweck, eine einheitliche rechtsgeschäftliche Wahrnehmung der
Gläubigerrechte zu ermöglichen. Ohne diese Beschränkung werde die Vertreterbestellung
"unlösbare Schwierigkeiten und Verwicklungen"483 nach sich ziehen. Vorgebeugt
werden sollte etwa Anträgen auf Zwangsversteigerung Einzelner, die einer von der
Mehrheit gewünschten und eingeleiteten Zwangsverwaltung ein unzweckmäßiges, vorzeitiges
Ende bereiten könnten484, sowie Anträgen Einzelner auf Konkurseröffnung485.
Der Grundsatz des § 14 Abs. 2 SchVG besteht aber in einem Nebeneinander von Vertre479
Anders auch hier das schweizerische Recht. Danach kann insbesondere das von den meisten
Anleihebedingungen gewährte außerordentliche Kiwdigungsrecht der Gläubiger bei Vertragsuntreue
des Schuldners oder bei Solvenzverschlechterung nur vom Anleihensvertreter ausgeübt
werden. Dieser ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Anleihe im Namen der Gläubiger
fälligzustellen, wenn ein in den Anleihebedingungen aufgeführter Kündigungsgrund vorliegt.
Damit ist dem Vertreter ein Ermessen eingeräumt, das er allerdings stets im Interesse der
Anleger auszuüben hat. Vgl. Daeniker, 130 f.
480 Zum Verhältnis von Individualklagen der Einzelobligationäre zu durch den Vertreter geführten
Rechtsstreitigkeiten siehe oben c.bb.

481 Vgl. etwa RG, JW 1926, 2170, zum Ausschluß des Rechts zur selbständigen Geltendmachung
von Zinsansprüchen.
482 Hiervon gingen jedenfalls die an der 2. Lesung des Entwurfes des SchVG beteiligten Abgeordneten
des Reichstags aus, Sten. Ber. über die Verhandlungen des Reichstags, 10.
Legislaturperiode, I. Session 1898-1900, 4. Band, 2895.
483 Regierungsbegründung, a.a.O., Fn. 1, 914.
484 Kommissionsbericht, a.a.O., Fn. 9, 2355.
485 Zur Anwendung des § 14 Abs. 2 SchVG im Insolvenzverfahren siehe oben c.cc.
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ter und Einzelgläubiger. Wird ein Beschluß im Sinne dieser Vorschrift nicht gefaßt, so
darf jeder Gläubiger selbständig seine Rechte neben dem Vertreter geltendmachen. Dieses
Nebeneinanderstehen bewirkt, daß die Rechtshandlungen des Vertreters, weil sie die
von ihm Vertretenen nach § 164 BGB binden, im weiteren Verlauf jeden Einzelgläubiger
ausschließen. Umgekehrt können Handlungen des einzelnen Obligationärs nicht vom
Gläubigervertreter ex post unwirksam gemacht werden486. Berücksichtigt man Vorstehendes
und geht man ferner davon aus, daß die Fassung eines Beschlusses nach § 14
Abs. 2 SchVG die Regel bilden wird, so sind jedenfalls aus dem Grundsatz der parallelen
Rechtsmacht keine derart schwerwiegenden Unzuträglichkeiten zu befurchten, die es
rechtfertigen, den Gläubigem die Entscheidungsmöglichkeit über ihren Ausschluß von
der selbständigen Rechtsverfolgung zu nehmen. Nicht ganz von der Hand zu weisen ist
aber der Einwand, daß die Bestimmung des § 14 Abs. 2 SchVG damit ihrer vorstehend
bezeichneten Zweckbestimmung nicht in vollem Umfang gerecht wird. Dies gilt namentlich
vor dem Hintergrund, daß der Ausschluß der Einzelgläubiger von der selbständigen
Rechtsverfolgung gemäß § 11 Abs. 2 SchVG der Dreiviertelmehrheit der abgegebenen
Stimmen bedarf, wobei diese mindestens die Hälfte der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen
repräsentieren muß. Eine zweite Gläubigerversammlung nach Maßgabe
des § 11 Abs. 5 SchVG487 findet hier nicht statt. Der Vergemeinschaftung der Gläubigerinteressen
durch das SchVG entspricht andererseits das Postulat nach korrespondierender
Einschränkung der singulären Rechtsmacht488. Namentlich beim Eintritt von Leistungsstörungen
ist auch der Schuldner daran interessiert, von vornherein nur einem vertretungsberechtigten
Organ als Verhandlungspartner gegenüberzustehen und nicht unzähligen
Einzelgläubigem. Solange noch kein entsprechender Beschluß gefaßt ist, fuhrt
also der § 14 Abs. 2 SchVG in seiner geltenden Fassung diesbezüglich zu einer gewissen
Unsicherheit für den Schuldner Aus seiner Sicht würde ein genereller Ausschluß der
singulären Rechtsverfolgung die Wirksamkeit und damit die Effektivität des SchVG erhöhen.
So war etwa in § 12 Abs. 2 des ersten Regierungsentwurfs vorgesehen, daß die
Befugnis zur selbständigen Geltendmachung von Rechten in dem Umfang der Ermächtigung
des Vertreters ohne weiteres ausgeschlossen sein sollte489. In der Kritik des Entwurfes
wurde darauf hingewiesen, daß aus Gründen des Anlegerschutzes wegen der
größeren Verantwortung des Vertreters dann auch für eine verstärkte Kontrolle des
Vertreters gesorgt werden müsse490. Insofern hätte sich etwa die zwingende Einführung
eines Gläubigerbeirats oder -ausschusses angeboten, wovon das Gesetz jedoch abgesehen
hat. Desweiteren fehlten im ursprünglichen Entwurf, ebenso wie in der später verabschiedeten
Fassung, besondere Bestimmungen über Qualifikation und Verantwortlichkeit
des Gläubigervertreters. Derartige Bedenken veranlaßten die X. Reichstagskommission

486 Siehe auch oben c.bb. zu vom Gläubigervertreter geführten Rechtsstreitigkeiten.
487 Siehe dazu oben II.3.b.bb.(2).
488 So etwa Bernstein, 28.
489 Zur Begründung siehe oben, Nachweis in Fn. 483.
490 Fleck, Holdheims Wochenschrift 1898, 217, 222.
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dann allerdings nicht zur Einfügung entsprechender, den Gläubigervertreter betreffender,
Regeln in das Gesetz491, sondern die Kommission verlieh dem § 14 Abs. 2 SchVG seine
heute geltende Fassung. "Um in dem Ausschluß der einzelnen Gläubiger nicht zu weit zu
gehen", stellte sie es daher in das Ermessen der Gläubigerversammlung, wie weit das
selbständige Vorgehen einzelner Gläubiger ausgeschlossen werden soll492. Hierin drückte
sich das Mißtrauen aus, mit dem einzelne Abgeordnete seinerzeit der Institution des
Gläubigervertreters, wie auch der Vergemeinschaftung von Obligationärsrechten insgesamt,
gegenüberstanden. So stieß diese Änderung durch die Kommission denn auch im
Schrifttum zum Teil auf erhebliches Unverständnis493. Von Pechmann494 äußerte die Befürchtung,
daß sich die für einen Beschluß nach § 14 Abs. 2 SchVG erforderliche Mehrheit
kaum jemals erreichen lassen werde. Dementsprechend wurde bereits kurz nach Inkrafttreten
des SchVG der Versuch gemacht, die in § 14 Abs. 2 SchVG den Gläubigem
vorbehaltene Entscheidungsbefugnis im Wege der Auslegung einzuschränken. So vertraten
Göppert495 und später Trendelenburg496 die Auffassung, daß die Möglichkeit, dem
einzelnen Gläubiger die Ausübung seines Rechts neben dem Vertreter zu belassen, auf
die Fälle beschränkt bleiben müsse, in denen die Bevollmächtigung des Vertreters im
wesentlichen nur eine Erleichterung für den Einzelgläubiger bezwecke, ein selbständiges
Handeln des Einzelnen die Gesamtheit aber nicht berühre. Bezwecke dagegen ein Beschluß,
daß ein Recht ungeteilt im gemeinsamen Interesse sämtlicher Schuldverschreibungsinhaber
wahrgenommen werde, so widerstreite eine Konkurrenz des einzelnen
Gläubigers diesem Zwecke. Solche Beschlüsse seien vielmehr, ohne daß es einer ausdrücklichen
Festlegung bedürfe, dahin auszulegen, daß der einzelne Gläubiger sich seines
Rechts auf selbständige Geltendmachung zugunsten der Gemeinschaft entäußere. Wenn
eine derartig Interpretation auch wünschenswert gewesen wäre, so ließ sich ein derartiger
stillschweigender Verzicht der Gläubiger auf die Befugnis, eigene Rechte selbst
durchzusetzen, nicht mit dem Gesetzeswortlaut vereinbaren. Vielmehr sollte ein derartiger
stillschweigender Verzicht durch § 14 Abs. 2 SchVG gerade ausgeschlossen werden497.
Einen stillschweigenden Verzicht anzunehmen, würde namentlich bei denjenigen
Gläubigem, die dem Ermächtigungsbeschluß widersprochen haben, die Akzeptanzgrenze
überschreiten. Desweiteren erscheint es nicht angängig, die besondere Qualifikation des
Beschlusses nach § 14 Abs. 2 SchVG durch die Annahme eines stillschweigenden Verzichts
zu umgehen. Auf der Grundlage des geltenden Rechts ist mithin die Konsequenz
unumgänglich, daß ein jeder Gläubiger, wenn ein entgegenstehender Beschluß verab-

491 Die Einfügung des § 14a SchVG erfolgte bekanntlich erst 1932, siehe oben b.
492 Kommissionsbericht, a.a.O., Fn. 9, 2355; zustimmend Merzbacher, § 14, Anm. 3, unter Hinweis
auf den dem zivilrechtlichen Darlehensvertrag völlig fremden Ausschluß von Gläubigem
von der Rechtsverfolgung zugunsten Dritter.
493 So etwa bei Bonschab, § 14, Anm. H.a.; von Pechmann, DJZ 1900, 511, 513.
494 A.a.O., Fn. 493.
495 § 14, Anm. 2.
496 Göppert/Trendelenburg, § 14, Anm. 2.
497 So auch die sonstige Kommentarliteratur, Ansmann, § 14, Anm. 6; Koenige, 2. Aufl., § 14,
Rz. 6.
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säumt worden oder nicht zustandegekommen ist, seine sämtlichen Rechte selbständig
ausüben kann. Hat aber der bevollmächtigte Vertreter innerhalb der ihm zustehenden
Vertretungsmacht im Namen der Gläubigergesamtheit eine Willenserklärung abgegeben,
so wirkt diese für und gegen alle Gläubiger, auch wenn diese in der eigenen Rechtsausübung
nicht beschränkt sein sollten, § 164 BGB. Ein genereller oder automatischer Ausschluß
der Einzelgläubiger von der singulären Rechtsverfolgung in Fragen, die die Gemeinschaftsinteressen
berühren, läßt sich allenfalls de lege ferenda erreichen, wie etwa im
Jahre 1932 vom Deutschen Städtetag angeregt498.
Ob den Erfordernissen eines wirksamen Anlegerschutzes durch Einführung der, gegen
Interessenkollisionen in der Person des Gläubigervertreters gerichteten, Bestimmung
des § 14a SchVG bereits so weit Genüge getan wurde, daß den Einzelobligationären ein
vollständiger Verzicht auf eine selbständige Rechtsverfolgung zugemutet werden kann,
ist zweifelhaft. Die Befugnis des einzelnen Obligationärs zur gerichtlichen und außergerichtlichen
Rechtsverfolgung in eigener Verantwortung muß als ein wesentlicher Bestandteil
des verbrieften Forderungsrechts angesehen werden, so daß zumindest ein völliger
Ausschluß bedenklich wäre499. Dennoch ist hier zu unterscheiden. Unangemessen
und schädlich wäre es in jedem Fall, die Einzelgläubiger zugunsten eines in den Anleihebedingungen
bestellten (Vertrags-) Vertreters auszuschließen, da dessen Bestellung ganz
wesentlich im Einflußbereich des Anleiheschuldners liegt. Anders stellt sich die Lage
beim gewählten Vertreter nach dem SchVG dar, zumal das Gesetz an dessen Person immerhin
einige Mindestanforderungen stellt500. Gleichwohl läßt sich auch hier ein (Rest-)
Mißbrauchsrisiko nicht ausschließen. Die Gefahr des Mißbrauchs durch den Schuldner
sowie eine mögliche abschreckende Wirkung auf das Anlagepublikum lassen einen generellen
Ausschluß der individuellen Rechtsverfolgung in den Anleihebedingungen oder
auch im Wege entsprechender Änderung des SchVG als nicht sinnvoll erscheinen. Denn
zum einen wird vom Bestehen der Möglichkeit, Ansprüche eigenverantwortlich durchzusetzen,
eine gewisse "beruhigende"501 Wirkung ausgehen, so daß leichter auf ihre Ausübung
verzichtet wird oder man sich zumindest mit der Bestellung eines Gläubigerausschusses
zur Beratung und Kontrolle des Vertreters begnügt. Zum anderen kann die
Mitwirkung einzelner, besonders sachkundiger und interessierter, Obligationäre für die
Gesamtheit von einem gewissen Wert sein, so daß diese Möglichkeit nicht gänzlich ausgeschaltet
werden sollte. Weiterhin ist denkbar, daß, wenn der Anleiheemittent von
vornherein damit rechnen muß, beim Eintritt von Schwierigkeiten nicht allein mit dem,
498 Eingabe an den Reichsjustizminister vom 20. September 1932. Der Reformvorschlag des
Städtetages zielte - im Interesse der damals noüeidenden kommunalen Haushalte - insgesamt
auf eine umfassende Stärkung des Gläubigervertreters gegenüber den Obligationären, z.B.
durch die generelle Zulassung von Verzichtserklärungen im Namen der Gläubiger durch den
gewählten Vertreter, ohne daß es hierzu eines besonderen Beschlusses bedürfen sollte.
499 Vgl. Bernstein, 17,27 CF.; ähnlich schon Merzbacher, § 14, Anm. 3.
500 Anders insofern das US-amerikanische Recht. Dessen Regelungen betreffend das conßicting
interest beziehen sich auf den trustee als vertraglich bestellten Anleihevertreter. Siehe oben
§ 4 ffl.4.

501 Vgl. Bernstein, 28.
209




Hans-Gert Vogel
Die Vergemeinschaftung der
Anleihegläubiger und ihre
Vertretung nach dem
Schuldverschreibungsgesetz
1999

Sonntag, 7. April 2013

ich benötige Hilfe: wie kann ein ausser Kraft gesetztes Gesetz (SchVG a.F von 1899) so einfach durch §24 Abs1 Satz 1 wieder in Kraft gesetzt werden ?

ich benötige Hilfe: wie kann ein ausser Kraft gesetztes Gesetz (SchVG a.F von 1899) so einfach durch §24 Abs1 Satz 1 wieder in Kraft gesetzt werden ?



Artikel 8 Inkrafttreten; Außerkrafttreten
 
Artikel 8 des SchVGEG ändert mWv. 5. August 2009 SchVerschrG 
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig treten das Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4134-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 53 des Gesetzes vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911) geändert worden ist, und das Gesetz über die Anwendung von Vorschriften des Gesetzes betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4134-1-1, veröffentlichten bereinigten Fassung außer Kraft.
 
 
SchVG n.F.
 
§ 24 Übergangsbestimmungen
(1) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf Schuldverschreibungen, die vor dem 5. August 2009 ausgegeben wurden. Auf diese Schuldverschreibungen ist das Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4134-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 53 des Gesetzes vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911) geändert worden ist, weiter anzuwenden, soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt.
(2) Gläubiger von Schuldverschreibungen, die vor dem 5. August 2009 ausgegeben wurden, können mit Zustimmung des Schuldners eine Änderung der Anleihebedingungen oder den Austausch der Schuldverschreibungen gegen neue Schuldverschreibungen mit geänderten Anleihebedingungen beschließen, um von den in diesem Gesetz gewährten Wahlmöglichkeiten Gebrauch machen zu können. Für die Beschlussfassung gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend; der Beschluss bedarf der qualifizierten Mehrheit.
 
die Einzelmeinung(?) Baums/Schmidtbleicher geht sogar über das SchVG a.F. hinaus und will weitere Anleihen vor 5.9.2009 dem Regime eines ausser Kraft gesetzten Gesetzes unterwerfen. Eine echte(?) Rückwirkung:
 
II. Anwendungsbeschluss (Opt in-Beschluss) auch für „formal
ausländische Anleihen“
Der Umstand, dass eine Altanleihe nicht dem SchVG 1899 unterfiel, steht einem Opt inBeschluss nach § 24 Abs. 2 SchVG und damit der Anwendbarkeit des neuen SchVG
nicht entgegen. Die Gläubiger der Schuldverschreibungen, die vor dem 5. August 2009
begeben wurden und für deren Schuldverschreibungen deutsches Sachrecht gewählt
wurde, können nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SchVG mit Zustimmung der Emittentin eine
Änderung der Anleihebedingungen beschließen, um von den im SchVG gewährten
Wahlmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Diese Möglichkeit besteht gerade auch dann,
wenn die Emittentin ihren Sitz im Ausland hat. Soweit sich Rechtsprechung und
Schrifttum mit dieser Frage befassen, sind sie der gleichen Auffassung.6
Die Wahlmöglichkeit des § 24 Abs. 2 Satz 1 SchVG ist also nicht, unter Rückgriff auf
§ 24 Abs. 1 Satz 2 SchVG, auf Altanleihen zu beschränken, die dem SchVG 1899
unterfallen. Das zeigt die folgende Auslegung nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte,
Systematik und Sinn und Zweck des § 24 SchVG. 
 
 

Donnerstag, 4. April 2013

IMPRESSUM


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