Landgericht Frankfurt am Main
Beschluss
In dem Verfahren wegen Ermächtigung zur Einberufung einer Gläubigerversammlung nach § 4 SchVerschrG,
an dem hier beteiligt sind:
1.) B.,
-Antragsteller und Beschwerdeführer-
Verf.bev.: RAe Dr. S. u. Koll.,
2.) A.
- Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -
Verf.bev.: RAe S u. Koll.,
3.) B -weitere Beteiligte-
hat das Landgericht Frankfurt am Main, 9. Zivilkammer, auf die sofortige Beschwerde
des Antragstellers vom 24.03.2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichtes Franfurt
am Main vom 20.03.2006 am 04.04.2006 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
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Der Antragsteller hat die außergerichtlichen Kosten der
Antragsgegnerin zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Ermächtigung zur Einberufung einer
Gläubigerversammlung nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die gemeinsamen
Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen (im folgenden SchVerschrG).
Die Antragsgegnerin ist eine Hypothekenbank mit Sitz in Frankfurt am Main, die aus
einer Verschmelzung der R. AG mit der A. AG hervorgegangen ist. Letztere hatte im
Jahr 1996 zur Deckung ihres Finanzbedarfs unter anderem die in einer
Sammelurkunde verbrieften Genussscheine 1996/2006 mit der
Wertpapierkennnummer 800285 (ISIS DE 0008002858) ausgegeben. Die
Genussscheine wurden eingeteilt in 100.000 untereinander gleichberechtigten
Genussscheinen mit einem Nennbetrag von jeweils 1.000,- DM. Sie sind im Juni
2006 zur Rückzahlung fällig.
Der Antragsteller ist Inhaber von 20.000 der oben bezeichneten Genussscheine.
Nach § 2 der Genussscheinbedingungen gewähren die Genussscheine eine dem
Gewinnanteil der Aktionäre vorgehende jährliche Ausschüttung von 8% des
Nennbetrages des Genussscheins. Die Ausschüttung auf die Genussscheine ist
dadurch begrenzt, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen darf. Nach § 4 der
Genussscheinbedingungen werden die Genussscheine vorbehaltlich der
Bestimmungen des § 6 der Genussscheinbedingungen zum Nennbetrag
zurückgezahlt. § 6 der Genussscheinbedingungen lautet wie folgt:
„Die Genussscheininhaber nehmen am Bilanzverlust der Bank in voller Höhe durch
Verminderung ihrer Rückzahlungsansprüche und zwar im Verhältnis der
Rückzahlungsansprüche zu dem jeweils ausgewiesenen sonstigen Eigenkapital
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gemäß § 10 Kreditwesengesetz teil.“ Wegen des weiteren Inhalts der
Genusscheinbedingungen wird auf die Abschrift der Genussscheinbedingungen,
Anlage 1 zur Antragsschrift vom 16.02.2006 (Bl. 52 ff. d.A.), Bezug genommen.
Während in einem Zwischenbericht der Antragsgegnerin vom 30.09.2005 mitgeteilt
wurde, dass sie in neun Monaten einen Gewinn von 13,8 Mio. Euro erwirtschaftet
habe, erklärte sie in einer Ad-hoc-Meldung vom 02.01.2006, dass sie für das
Geschäftsjahr 2005 mit einem negativen Nachsteuerergebnis zwischen 1,1 und 1,3
Milliarden Euro rechne, so dass, in Anbetracht des zu erwartenden Bilanzverlustes,
das durch Genussscheingläubiger und stille Beteiligte bereit gestellte haftende
Eigenkapital maßgeblich in Anspruch genommen werde, was für die
Genusscheininhaber eine Verminderung des Rückzahlungsanspruches in Höhe von
70% -75 % bedeuten würde.
Nachdem die Antragsgegnerin dem Verlangen des Antragstellers auf Einberufung
einer Gläubigerversammlung gemäß den Bestimmungen des
Schuldverschreibungengesetzes nicht stattgab, beantragte er beim Amtsgericht die
Ermächtigung zur Einberufung einer solchen nach § 4 SchVerschrG, wobei die
Beteiligten über die Anwendbarkeit des Gesetzes auf Genusscheine der hier
vorliegenden Art streiten.
Der Antragsteller ist der Ansicht gewesen, dass es sich bei den von ihm erworbenen
Genussscheinen um Schuldverschreibungen mit im voraus bestimmten Nennwert
handelt. Dies gelte auch unter Berücksichtigung, dass der Rückzahlungsanspruch
nach § 6 der Genussscheinbedingungen am Bilanzverlust der Antragsgegnerin
teilnimmt.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie ist der Ansicht gewesen,
das SchVerschrG sei nicht auf Genussscheine, die am Bilanzverlust des Emittenten
teilnehmen, anwendbar.
Das Amtsgericht holte eine Stellungnahme der Beteiligten zu 3) ein. Wegen des
Inhalts der Stellungnahme wird auf das Schreiben der Beteiligten zu 3) vom
09.03.2006, Bd. II, Bl. 44 f. d.A.) verwiesen.
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Mit dem angegriffenen Beschluss wies das Amtsgericht den Antrag auf Ermächtigung
zur Durchführung einer Gläubigerversammlung zurück. Hiergegen legte der
Antragsteller unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens sofortige
Beschwerde ein und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung
dahingehend, dass er ermächtigt werde, eine Gläubigerversammlung der Inhaber der
oben genannten Genussscheine einzuberufen.
Die Antragsgegnerin hatte vor Eingang der Beschwerdeschrift in Erwartung des
Antrags auf einstweiligen Rechtsschutzes eine Schutzschrift eingereicht, in welchem
sie im wesentlichen ebenfalls ihr Vorbringen aus erster Instanz wiederholt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft und fristgemäß
eingereicht worden, §§ 4 Abs. 4 S. 2 SchVerschrG, 22 Abs. 1 FGG.
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Gesetz betreffend die gemeinsamen
Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen ist auf die Genussscheine der hier
vorliegenden Art nicht anwendbar. Dies setzt nämlich das Vorliegen von
Schuldverschreibungen mit im voraus bestimmten Nennwert voraus, § 1 Abs. 1
SchVerschrG. Hierunter sind Schuldverschreibungen zu verstehen, die einen festen
und der Höhe nach endgültig bestimmten Zahlungsanspruch gewähren [Reuter, NJW
1984, S. 1849 ff. (1854) m.w.N., Sethe, AG 1993, S. 351 ff (354 f.), Hammen, BB
1990, S. 1917 ff. (1920) ]. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes,
insbesondere aus § 12 Abs. 3 SchVerschrG. Danach ist die Gläubigerversammlung
nicht befugt, einen Beschluss über den Verzicht auf die dem Nennwert der
Schuldverschreibungen entsprechenden Kapitalansprüche zu fassen. Das Gesetz
legt folglich das Vorliegen eines Kapitalanspruchs, der mindestens in Höhe des
Nennwertes der Schuldverschreibung besteht, zugrunde. Andernfalls wäre die
Regelung obsolet. Auch die systematische Auslegung spricht gegen die
Anwendbarkeit des SchVerschrG auf die vom Antragsteller erworbenen
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Genussscheine. Die Regelungen der §§ 12 Abs. 3, 11 Abs. 1 SchVerschrG, wonach
ein Verzicht auf den Rückzahlungsanspruch nicht möglich ist und die Aufgabe und
Beschränkung der Gläubigerrechte, insbesondere Ermäßigung des Zinssatzes und
Bewilligung der Stundung, würden vorliegend, ins Leere laufen, da bereits in den
Genusscheinbedingungen eine Verlustbeteiligung sowie Ausschüttungssperre
vorgesehen ist (Reuter a.a.O.). Dass sich die Genussscheininhaber neben der
Verlustbeteiligung im Rahmen des Rückzahlungsanspruchs, die nach § 12 Abs. 3
SchVerschrG schon gar nicht möglich wäre, und der Ausschüttung freiwillig weiteren
Einschränkungen unterwerfen würden, erscheint praxisfern und würde gegen den
Schutzgedanken des SchVerschrG, nämlich die Sicherung der Gläubigerrechte,
laufen.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers stellen die hier streitgegenständlichen
Genussscheine auch keine Schuldverschreibungen mit im Voraus bestimmten
Nennwert dar. Zwar wird nach § 4 der Genussscheinbedingungen der
Rückzahlungsanspruch aus den einzelnen Genussscheinen der Höhe nach begrenzt
auf den Nennbetrag, jedoch ist hierin nicht die Festlegung eines der Höhe nach
abschließend bestimmten Anspruchs zu sehen, da nach § 6 der
Genussscheinbedingungen die Höhe der Auszahlung von dem Bilanzergebnis
abhängig ist. Die von dem Antragsteller erworbenen Genussscheine verbriefen damit
durch ihre Verlustbeteiligung sogenannte „aktienähnliche“ Genussrechte und
begründen keinen der Höhe nach fest bestimmten Rückzahlungsanspruch. Soweit
teilweise auf Genussscheine, die einen Rückzahlungsanspruch in Höhe des
Nennbetrages abzüglich der Verlustbeteiligung, das SchVerschrG für anwendbar
gehalten wird (so u.a. Lutter, Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 221 Rn. 268,
Habersack, Münchner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 221 Rn. 252), ist dem nicht
zu folgen, da zum einen bereits der Wortlaut des Gesetzes gegen seine Anwendung
auf Genusscheine mit nicht fest bestimmten Rückzahlungsansprüchen spricht. Zum
anderen tragende Vorschriften des Gesetzes (§ 12 Abs. 3, 11 Abs. 1 SchVerschrG)
nahezu ausgehöhlt werden würden.
Für eine analoge Gesetzesanwendung besteht in Ermangelung einer planwidrigen
Gesetzeslücke kein Raum. Der Antragsteller ist durch die bestehende
Rechtsordnung ausreichend geschützt. Es steht ihm frei, eventuell bestehende
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Auskunfts- oder Zahlungsansprüche im Zivilprozess geltend zu machen oder eine
Interessengemeinschaft zu gründen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 131 Abs. 1 u. 2, 30 Abs. 1 KostO, 13 a
FGG. Der Beschwerdewert wurde hierbei auf 1/20 des voraussichtlichen
Verlustbetrages des Antragstellers, ausgehend von einer behaupteten Verlustquote
von 70 %, festgesetzt.
F R N Vors. Richterin am LG Richter am LG Richterin am LG