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Samstag, 26. April 2014

Unzulässige Erhebung von Stückzinsen bei Kauf/Verkauf von Restrukturierungsanleihen in der Transitionsphase / Gestaltwandel der Anleihe

Unzulässige Erhebung von Stückzinsen bei Kauf/Verkauf von Restrukturierungsanleihen in der Transitionsphase / Gestaltwandel der Anleihe

Unzulässige Erhebung von Stückzinsen bei Kauf/Verkauf von Restrukturierungsanleihen in der Transitionsphase / Gestaltwandel der Anleihe

In dem Zeitraum einer „erfolgreichen“ Gläubigerversammlung nach SchVG 2009 zur Verlängerung der Laufzeit eines Bondes bis zum Vollzug (§ 21 SchVG 2009) dieser Beschlüsse (Skripturakt) besteht eine Grauzone wie mit den Stückzinsen zu verfahren ist.

Die GV-Beschlüsse werden erst mit dem Skripturakt wirksam. Nach § 793 BGB muss sich das Leistungsversprechen aus der Urkunde der Inhaberteilschuldverschreibung ergeben. Bei Endfälligkeit der Anleihe um den Zeitpunkt der GV herum haben wir es mit einem fälligen Bond der ausgelaufen ist zu tun. Durch die Verlängerung soll er halt mit neuer, längerer Laufzeit versehen werden.

Die WM (Wertpapiermitteilungen) stellen das Ergebnis der GV wohl bereits nach deren Bekanntmachung im Bundesanzeiger in die Gattungsdaten ein und die Banken berechnen somit Stückzinsen. Das ist m.E. nach Rechtswidrig, denn dieser Bond ist nach wie vor endfällig. Erst durch den Skripturakt beendet der Bond  die Metamorphose und erwacht zu vollem neuen Leben. Dieser Zeitraum hat z.B. bei Solarworld um die 7 Monate gedauert. Erst ab dann können Stückzinsen (oder wie der Schweizer zu sagen pflegt Marchzinsen) berechnet werden.

Im hier konkreten Fall der Strenesse-Anleihe (A1TM7E) war dieGV am 20.2.2014 und am 24.2.2014 die Bekanntmachungim Bundesanzeiger. Über den Vollzug des Skripturaktes ist leider nichts bekannt. Das kann aber leicht durch eine Kopie der Globalurkunde bei Clearstream Banking Frankfurt eruiert werden.

Laut SchVG 2009 kann der Skripturakt frühestens nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist erfolgen. Also hier nicht vor dem 20.3.2014. Erfahrungsgemäß dauert es aber eine geraume Zeit länger; insbesondere wenn Anfechtungsklagen eingereicht wurden.

Laut Schreiben der Deutschen Bank zu Strenesse vom 10.4.2014 wurde mit „Arbeitstermin 26.2.2014“ eine Statusveränderung mit Laufzeitverlängerung gemäß Gläubigerversammlung mittgeteilt. Dies ist voreilig und rechtswidrig.

Rolf Koch, Zur Eisernen Hand 25, 64367 Mühltalrolfjkoch@web.de
Tel: 06151 14 77 94 Fax:  06151 14 53 52


27.4.2014

Freitag, 25. April 2014

mal etwas praktisches Futter zum Thema SchVG......in der Anwnendung durch LG Bonn am 25.3.2014 (10 O 299/13)......damit nicht beim reinen Theoretisieren bleibt,,,,,,,,,,,,,,,,,,


Freitag, 25. April 2014

LG Bonn 10 O 299/13 vs Solarworld ist ein ganz wichtiges Urteil für die Kündigungskläger vs Solarworld (man munkelt von ca 4 Mio) und darüber hinaus ein Bahnbrechendes urteil für die Anleihegläubiger in Restrukturierungssitiuatinen die sich nicht einfach und willenlos in ihren berechtigten Forderungen schneiden lassen wollen (Haircut)....es wird in die Kommentarliteratur zum SchVG eingehen........

Landgericht Bonn
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
ln dem Rechtsstreit
des Herrn xxx
Klägers,
Prozessbevollmächtigte; Rechtsanwälte xxx,
gegen
XXX,
Beklagte,
Prozeesbevollmöchtigte: Rechtsanwälte xxx
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn
auf die mündliche Verhandlung vom 18.02.2014
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx, die Richterin am Landgericht
xxx und den Richter xxx
für Recht erkannt;
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41.320,77 EUR nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
18.05,2013 zu zahlen, Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des Jeweils zu
vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rückzahlung einer Anleihe nach erklärter außerordentlicher Kündigung.
Am 29,01.2010 erwarb der Kläger über die xxx eine Inhaberschuldverschreibung im
Nominalwert von 40.000 EUR (im Folgenden „Klägeranleihe“). Die Klägeranleihe war
mit 0.125% p.a., nachträglich zahlbar am 21.01. eines jeden Jahres, verzinst Sie
hatte eine feste Laufzeit bis zum 21.01.2017. Gleichzeitig mit der Klägeranleihe wur>
den von der Beklagten weitere Inhaberechuldverschrelbungen Im Gesamtvolumen
von 400.000.000 EUR auf der Grundlage einheitlicher Anleihebedingungen, die als
Anlage K 1 und B1 zur Akte gereicht wurden (im Folgenden „Anleihebedingungen"),
ausgegeben.
Gemäß § 9 der Anleihebedingungen war der Inhaber (u.a.) dann berechtigt, die Anleihe
außerordentlich zu kündigen und deren sofortige Rückzahlung zu ihrem Nennbetrag
zuzüglich etwaiger aufgelaufener Zinsen zu verlangen, falls:
„Ein Gericht ein Insolvenzverfahren gegen die Emittentin eröffnet oder die Em'rttentin
ein solches Verfahren einleitet oder beantragt oder eine allgemeine Schuldenregelung
zu Gunsten ihrer Gläubiger anbietet oder trifft oder ein Dritter ein Insolvenzverfahren
gegen die Emittentin beantragt und ein solches Verfahrens nicht innerhalb
einer Frist von 60 Tagen aufgehoben oder ausgesetzt wird.“
Gemäß § 1 Abs. 7 der Anleihebedingungen Wurde Annex 2 des Emissions- und
Zahlstellenvertrags vom 19. Januar 2010 („Annex 2") in die Anleihebedingungen einbezogen.
Annex 2 enthält Verfahrensregelungen, die im Wesentlichen dem Schuldverschreibungsgesetz
(„SchVG") nachgebildet sind. In § 11 Abs. 1 der Anleihebedingungen
wurden Mehrheitsbeschlüsse über alle gesetzlich zugelassenen Beschlussgegenstände
eingeführt, die gemäß § 11 Abs. 2 für alle Gläubiger gleichermaßen
verbindlich sind. Gemäß § 11 Abs. 3 der Anleihebedingungen bedurften solche Beschlüsse
grundsätzlich einer Mehrheit von 75% der teilnehmenden Stimmrechte.
Am 24.01.2013 gab die Beklagte in einer Ad-hoc Mitteilung bekannt, dass wegen
wettbewerbswidriger Marktbedingungen gravierende Einschnitte bei den Verbindlichkeiten
der Gesellschaft, insbesondere bei den ausgegeben Anleihen (neben der
Schuldverschreibung, zu der die Klägeranleihe gehörte, hatte die Beklagte 2011
noch eine weitere Anleihe über 150.000.000 EUR begeben), erforderlich würden,
dass aber eine übenwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass die erforderlichen
finanzwirtschaftlichen Restrukturierungen und notwendigen Maßnahmen operativer
Art umgesetzt werden können und somit eine positive Fortführungsprognose
bestehe.
Am 17.04,2013 machte der Vorstand die Mitteilung, dass ein Verlust des halben
Grundkapitals eingetreten sel.
In einer weiteren Ad-hoc Mitteilung vom 30.04.2013 gab die Beklagte bekannt, dass
mit wesentlichen Schuldscheingläubigern eine vorläufige Einigung über die Restrukturierung
der Finanzverbindllchkeiten erzielt worden sei und dass beabsichtigt würde,
ca. 60 % der Finanzverbindlichkeiten in Eigenkapital umzuwandeln.
Mit Anwaltsschreiben vom 10.05.2013 kündigte der Kläger die Klägeranleihe außer»
ordentlich aus wichtigem Grund und verlangte Anerkennung der Rückzahlungspfiicht
der Anleihesumme zzgl. Zinsen Innerhalb einer Frist von 3 Wochen sowie unverzügliche
Zahlung des Rückzahlungsbetrags. Mit Schreiben vom 17.05.2013 wies der
Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Forderung zurück.
Am 20.06.2013 machte die Beklagte im Bundesanzeiger die Einberufung der Anleiheglaublgervetsammlung,
in der über das Restrukturierungskonzept abgestimmt
werden sollte, bekannt. Die einberufene Gläubigerversammlung erreichte jedoch
nicht das für die Beschlussfähigkeit erforderliche Quorum. Am 12.07.2013 wurde die
Einberufung zur zweiten Gläubigerversammlung im Bundesanzeiger bekannt gemacht.
Am 06.08.2013 stimmten die Anleihegläubiger in der zweiten Versammlung
mit dem erforderlichen Quorum dem Restrukturierungskonzept, nach welchem sämtliche
Anleihen dieser Tranche, und somit auch die Klägeranleihe, in Erwerbsrechte
bezüglich von Anleihen mit reduziertem Nennwert sowie bezüglich von neuen Aktien
an der Beklagten umgetauscht werden sollten, mit 99,8% der teilnehmenden Stimmen
zu. Des Weiteren wurde auf die Ausübung von Kündigungsrechten bis zum
31.12.2014 verzichtet
Die Hauptversammlung der Beklagten hat am 14.10.2013 die Einbringung von Teilen
der Anleiheforderungen gegen die Ausgabe von neuen Aktien im Wege der Sachkapitalerhöhung
beschlossen.
Mit Beschluss vom 13.01.2014 hat das OLG Köln den Vollzug des Beschlusses der
Gläubigerversammlung trotz anhängiger Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gemäß
§ 246a AktG freigegeben.
Am 31.01.2014 sind die Schuldverschreibungen der Anleihe, einschließlich der Klägeranleihe,
in Vollziehung des Beschlusses der Gläubigerversammlung auf die xxx
übertragen worden. Mit Eirtbringungs- und Erlassvertrag vqm 14.02,2014 hat die xxx
die Anleihe im Wege des Erlasses unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung
der Kapitalerhöhung in das Eigenkapital der Klägerin eingebracht. Die Kapitalerhöhung
ist am 24.02.2014 in das Handelsregister der Klägerin eingetragen worden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Vorlage des Restrukturierungskonzepts durch die
Beklagte als das Angebot, einer allgemeinen Schuldenregelung i.S.d. § 9 der Anleihebedingungen
anzusehen sei, so dass ein außerordentliches Kündigungsrecht bestanden
habe. Jedenfalls habe ein wichtiger Grund gemäß § 314 BGB Vorgelegen.
Die erfolgte Umsetzung des Restmkturierungskonzepts bestreitet der Kläger mit
Nichtwissen, Der Kläger ist außerdem der Ansicht, dass die zwischenzeitliche Umsetzung
des durch die Gläubigerversammlung beschlossenen Restrukturierungskonzept
sich auf den aufgrund der erklärten Kündigung der Anleihe entstandenen Rückzahlungsanspruch
nicht auewirke, well die Beklagte sich gemäß § 242 BGB auf den
Umtausch der Anleihe nicht berufen dürfe. Jedenfalls bestünde der Anspruch als
Schadensersatzanspruch fort
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 41.320,77 EUR nebst 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit
dem 10.05.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bonn.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe seine Aktivlegitimation jedenfalls durch
Umsetzung der Beschlüsse der Gläubigerversammlung verloren. Seine Schuldverschreibung
existiere nicht mehr.
Die Beklagte ist außerdem der Ansicht, aus dem systematischen Zusammenhang
ergebe sich, dass mit allgemeine Schuldenregelungen i.S.d. § 9 der Anleihebedingungen
nur staatliche insolvenzähnliche Verfahren zur Reorganisation gemeint seien.
Die Restrukturierung stelle auch Keinen wichtigen Grund ¡.S.d. § 314 BGB dar.
Die Kündigung sei, das Bestehen eines Kündigungsrechts unterstell, außerdem
treuwidrig. Den Anleihegläubiger treffe aus dem SchVG ©ine Treuepflicht, die es ihm
verbiete, sich entgegen der Interessen der Gläubigergemeinschaft einen individuellen
Vorteil zu verschaffen.
Ferner ist die Beklagte der Ansicht, dass, da die Gläubigerversammlung mit einfacher
Mehrheit gemäß § 5 Abs. 2 SchVG die Unwirksamkeit einer Gesamtkündigung
beschließen könne, ein kollektiv beschlossener Kündigungsverzicht auch dazu führen
müsse, dass einer vorher bereits erklärten Individualkündigung die Grundlage
entzogen würde.
Zur Ergänzung des Tatbestands wind auf die Schriftsätze des Klägers vom
05.08.2013, vom 11.12.2013 und vom 04.03.2014 sowie der Beklagten vom
08.10.2013, vom 18.02.2014, bei Gericht am 10.03.2014 undatiert eingegangen, und
vom 17.03.2014, jeweils mit den zugehörigen Anlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und - mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung - begründet.
i.
Das Landgericht Bonn ist örtlich zuständig. Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten
(§ 17 ZPO) ist in Bonn. Die GerichtStandvereinbarung in § 15 Abs. 2 der Anleihebedingungen
begründet nach ihrem Wortlaut keinen ausschließlichen Gerichtsstand,
und da der Kläger kein Kaufmann ist, wäre gemäß § 38 Abs. 3 ZPO eine im Vorhinein
mit dem Kläger vereinbarte Gerichtsstandvereinbarung ohnehin nicht zulässig.
II
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 41.320,77 EUR
aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 Abs. 1 S.1, 287 S. 2 BGB.
Höhe aus einer Anleihe gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser Anspruch ist infolge
der Durchführung des Beschlusses der Gläubigerversammlung zu einem Zeitpunkt,
in welchem die Beklagte mit der Rückzahlungsverpflichtung in Verzug war, wegen
Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs.1 BGB untergegangen.
1
Der Kläger hat die Anleihe mit Schreiben vom 10.09,2010 wirksam außerordentlich
gekündigt.
a)
Ein Kündigungsrecht bestand gemäß § 9 Abs. 1 e) der Anleihebedingungen. Die Bet
klagte hat i.S.d. § 9 d Abs. 1 e) eine allgemeine Schuldenregelung zugunsten Ihrer
Gläubiger angeboten.
Was genau mit einer „allgemeinen Schuldenregelung zugunsten der Gläubiger“ gemeint
ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Diese Unklarheit geht gemäß § 305c
Abs. 2 BGB zulasten der Beklagten. Bei den Anleihebedingungen handelt es sich um
allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 BGB, weil die Beklagte sie für eine
Verwendung in einer Vielzahl von Verträgen, nämlich den Verträgen mit sämtlichen
Anleihegläubigern, vorformuliert hatte.
Die Ankündigung eines Restrukturierungskonzepte, bei dem Anleiheforderungen in
Eigenkapital umgewandelt werden, kann unschwer als Angebot einer Schuldenregelung
bezeichnet werden, weil der Begriff ''Schuldenregelung" sehr unbestimmt ist.
Zweifelhaft erscheint es sprachlich nur, ob diese mit dem Restrukturierungskonzept
durch die Beklagte vorgeachlagene Schuldenregelung als „allgemein“ und als „zugunsten
Ihrer Gläubiger" bezeichnet werden kann. Ein Blick in die unmittelbar neben
der deutschen Fassung abgedruckte englische Fassung der Anleihebedingungen
legt es durchaus nahe, dass diese Auslegung tatsächlich der Intention des Verwenders
entspricht. In der englischen Fassung heißt es: „öfters $n Arrangement for
the benefit of its credltors g e n e ra llyGemeint ist also, dass ein „Arrangement zum
Wohle der Gläubiger im Allgemeinen angeboten wird. Da die englische Fassung gemäß
§ 16 der Anlelhebedingungen unverbindlich ist, bedarf es keiner Analyse, inwiefern
ein Beschluss der Gläubigerverssammlung nach SchVG mit einem ,Arrangement“
im anglo-amerikanischen Rechtsverständnls vergleichbar ist. Entscheidend ist
aus Sicht der Kammer, dass in den Anleihebedingungen ein Kündigungsrecht für den
Fall vorgesehen wurde, dass von Seiten der Beklagten die Initiative zu einer allgemeinen
Schuldenregelung ergriffen wird, die - in irgendeiner Art und Weis® - den
Gläubigem zugutekommt. Da in den Angebotsbedingungen von einem .Angebot“ die
Rede ist, kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Gläubiger zu der Annahme
dieses Restrukturierungskonzepts gezwungen werden können.
Die Beklagte hatte im vorliegenden Fall ein generelles Restrukturierungskonzept vorgelegt,
das erforderlich war, um eine positive Fortführungsprognose stellen zu können.
Für die Anleihegläubiger, die die wesentlichen Fremdkapitalgeber waren, handelte
es sich dabei um eine allgemeine Regelung. Da durch diese Maßnahme der
FSchuldenregelung zumindest in gewisser Weise auch zugunsten der Gläubiger insgesamt
getroffen werden sollte.
Aus der Überschrift „Insolvenz o.ä.“ ist aus Sicht der Kammer nicht abzuleiten, dass
diese Kündigungsregelung nur im Falle von insolvenzähnlichen, sämtliche Gläubiger
einbeziehenden staatlichen Verfahren anwendbar sein soll (dagegen LG Frankfurt,
Urteil vom 22.01.2014 - 2-17 O 1 p4/13 - nicht veröffentlicht). Ein überhaupt erst
nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstehendes Kündigungsrecht wäre wirtschaftlich
völlig sinnlos. Eine Maßnahme, mit der die Schuldnerin zur Abwendung
einer Insolvenz die wesentlichen Gläubigergruppen dazu aufruft, per Mehrheitsbeschluss
auf Teile Ihrer Forderung zu verzichten, Kann außerdem nach Meinung der
Kammer durchaus als ein insolvenznahes Verfahren betrachtet werden. Ein solcher
Verzicht erfolgt niemals wirklich freiwillig. Gläubiger, die dem Verzicht zustimmen,
werden dies nur unter dem Eindruck des anderenfalls drohenden Insolvenzverfahrens
tun.
b)
Neben dem Kündigungsrecht gemäß der Anleihebedingungen bestand ein Kündigungsrecht
außerdem, wie das LG Köln (Urteile vom 26,01.2012-30 O 13/11, 30 O
14/11, 30 0 63/11 - die letztgenannte Entscheidung veröffentlich In BB 2012, 1821)
in ähnlichen Verfahren zutreffend ausgeführt hat, auch gemäß § 314 BGB (dagegen
LG Frankfurt, Urteil vom 22.01.2014 - 2-17 O 104/13; Trautrlms, BB 2012,1823ff.).
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Anwendbarkeit des § 314 BGB im vorliegenden
Fall nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil - anders als in den vom LG
Köln (a.a.O.) entschiedenen Fällen - in den Anleihebedingungen ein Katalog von
Kündigungsrechten vereinbart war. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund
kann (über die Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG hinaus, auf die näher unter 2.b) eingegangen
wird) nicht wirksam in den Anleihebedingungen beschränkt werden (vgl.
Horn, BKR 2009, 440,450). Es kann deshalb auch nicht angenommen werden, dass
die Anleihebedingungen im vorliegenden Fall eine solche Beschränkung beabsichtigt
haben.
2.
Die Ausübung des Kündigungsrechts verstößt auch nicht gegen § 242 BGB.
a)
Anders als unter Gesellschaftern, existieren unter Gläubigern keine Treuepflichten
(LG Köln, a.a.O.; kritisch Paulus, WM 2012, 1109, 1111). Das SchVG schafft eine
gesetzliche Grundlage dafür, Gläubiger einer Anleihe Mehrheitsbeschlüssen unterwerfen
zu können. Dies kann nach Auffassung der Kammer jedoch nicht als gesetzliche
Wertentscheidung dahingehend verstanden werden, dass Anleihegläubiger
grundsätzlich verpflichtet sind, im Falle von finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners
die Restrukturierung gemeinsam loyal zu tragen (anders wohl Paulus, WM
2012, 11O0ff.).ortbestand der Beklagten gesichert werden sollte, lässt sich auch sagen, dass diese
b)
Aus der Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG ergibt sich nach Meinung der Kammer hingegen
ein starkes systematisches Argument dafür, dass die Einzelkündigung des
Gläubigers grundsätzlich zulässig bleibt. Die in § 5 Abs. 5 SchVG vorgesehene Möglichkeit,
die Kündigung in den Anleihebedingungen dahingehend zu beschränken,
dass diese nur einheitlich durch eine gemeinsame Erklärung von mehreren Schuldverschreibungsgläubigern
(allerdings maximal 25%) ausgeübt werden kann, setzt
voraus, dass die Einzelkündigung ohne eine solche Beschränkung zulässig bleibt.
Sofern die §§ 5 bis 21 des SchVG in den Anleihebedingungen für anwendbar erklärt
werden, kann von ihnen auch nicht zum Nachteil der Gläubiger abgewichen werden.
Die einzige zulässige Beschränkung des Kündiggngsrechts der Anleihegläubiger
ergibt sich demnach aus § 5 Abs. 5 SchVG. Da von dieser Beschränkung im vorliegenden
Fall kein Gebrauch gemacht wurde, stand es dem Kläger frei, die Kündigung
aus wichtigem Grund zu erklären und darauf zu hoffen, auf diese Weise mehr zurückzuerhalten
als nach einer Durchführung des Restrukturierungskonzepts erwarten
durfte.
c)
Der Kündigung des Klägers wurde auch nicht die Grundlage dadurch entzogen, dass
nach der Kündigung durch die Gläubigerversammlung kollektiv ein Kündigungsverzicht
beschlossen wurde. Anstatt, wie die Beklagte es vertritt, aus § 5 Abs. 5 SchVG
den Schluss zu ziehen, dass, wenn die Gläubigermehrheit sogar die Wirkung einer
erklärten „Ge&amtkündigung“ aufheben kann, dies für eine einzelne Kündigung erst
Recht gelten müsse (ähnlich auch Paulus, WM 2012, 1109, 1112), hält die Kammer
den zuvor unter b) ausgeführten Umkehrschluss für viel naheliegender. Die Gläubigerversammlung
kann nur beschließen, wozu sie gemäß §§ 5ff. SchVG bzw. (zulässigerweise)
in den Anlelhebedingungen ermächtigt wurde. Für die Aufhebung der
Wirkung einer Einzelkündigung fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
d>
Auch das von Beklagtenseite angeführte Argument, einzelne Gläubiger würden sich
durch die Kündigungsmöglichkeit ggf. einen Sondervorteil verschaffen, greift nach
Ansicht der Kammer nicht durch. Es steht - in Ermangelung anderslautender Regelungen
- sämtlichen Gläubigern das Recht zu, die Anleihe zu kündigen. Führt dies zu
einer Insolvenz der Schuldnerin, stellen Insolvenzvorschriften und insbesondere Anfechtungsvorschriften
sicher, dass eine Gleichbehandlung der Gläubiger gewahrt
bleibt. Es liegt somit In der Hand der Gläubiger, ob sie das Restrukturierungskonzept
mittragen oder über das Schicksal der Schuldnerin „mit den Füßen" abstimmen wollen.
Der Emittent, der sich in eine finanzielle Schieflage gewirtschaftet hat, kann hingegen
nicht unter Berufung auf § 242 BGB Schutz seiner außergerichtlichen Sanierungsbemühungen
verlangen, wenn es dafür keine ausdrückliche gesetzliche oder
vertragliche Grundlage gibt.
3.
Der Rückzahlungsanspruch aus der Klägeranleihe ist durch Einbringung der Klägeranleihe
in das Vermögen der Beklagten jedoch gemäß § 275 BGB untergegangen.
Die Klägeranleihe existiert nicht mehr.
a)
Gemäß § 5 .Abs. 2, Abs. 3 Nr. 5 SchVG i.V.m, § 11 Abs. 1 und 2 der Anleihebedingungen
kann die Gläubigerversammlung mit Mehrheitsbeschluss für alle Gläubiger
derselben Anleihe verbindlich einen Umtausch der Schuldverschreibungen beschließ
ßen Ein solcher Beschluss ist am 06.08.2013 wirksam zustande gekommen. Die
gemäß § 11 Abs. 3 der Anleihebedingungen erforderliche Mehrheit von 75% der teilnehmenden
Stimmrechte wurde erreicht.
Der Kläger war auch Inhaber einer von diesem Mehrheitsbeschluss betroffenen Anleihe,
Durch die Kündigung ist das entsprechende Rechtsverhältnis zwischen dem
Kläger und der Beklagten nicht unmittelbar erloschen. Die Klägeranleihe war, Im Gegensatz
zu den nicht außerordentlich gekündigten Anleihen, lediglich sofort zur
Rückzahlung fällig, Die Regelungen des SchVG bleiben jedoch nach zutreffender
Ansicht anwendbar, wenn die Laufzeit der individuellen Anleihe durch Kündigung
vorzeitig beendet wurde, jedenfalls solange die Rückzahlung noch nicht erfolgt ist
(vgl. Horn, BKR 2009, 446, 448),
b)
Der Beschluss war auch nicht nichtig. Es ist davon auszugehen, dass Beschlüsse
der Gläubigerversammlung, die an schweren und offenkundigen Mängeln leiten, ohne
Weiteres nichtig sind (vgl. Maier-Reimer, NJW 2010,1317,1319; Podewils, DStR
2009, 1914, 1918). Ein solcher schwerwiegender Beschlussmangel ist jedoch nicht
ersichtlich. Daher kann dahinstehen, ob der Beschluss, nachdem er mittlerweile aufgrund
der Freigabe durch das OLG Köln umgesetzt wurde, überhaupt noch rückgängig
gemacht werden könnte.
c)
Das Bestreiten der Durchführung des Beschlusses der Gläubigerversammlung durch
den Kläger mit Nichtwissen ist gemäß § 138 Abs. 4 ZPO nicht zulässig. Zumindest
das Ergebnis der Durchführung war Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung.
Nach seinem eigenen Vortrag wurden Ihm im Austausch für die Klägeranleihe Erwerbsrechte
gutgeschrieben.
d) • .
Die Beklagte ist, entgegen der Ansicht des Klägers, auch nicht gemäß § 242 BGB
daran gehindert, sich auf den zwischenzeitlich erfolgten Umtausch der Klägeranleihe
zu berufen.
Die Beklagte macht nicht, wie der Kläger meint, gemäß § 797 BGB den formalen
Einwand geltend, dass der Kläger die über die Klägeranleihe ausgestellte Urkunde
nicht mehr Zug-um-Zug gegen Zahlung aushändigen könne. Vielmehr beruft die Beklägte
sich zutreffend darauf, dass die Klägeranleihe, wie alle Anleihen dieser
Schuldverschreibung, nach dem Vollzug des Beschlusses der Gläubigerversammlung
nicht mehr existiert
4.
Zu dem Zeitpunkt der Einbringung der Klägeranleihe in das Vermögen der Beklagten,
durch welche die Rückzahlung an den Kläger unmöglich wurde, befand die Beklagte
sich gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB allerdings in Verzug, weil die Beklagte mit
Schreiben vom 17.05.2013 die Rückzahlung ernsthaft und endgültig verweigert hatte.
Anhaltspunkte für ein fehlendes Vertretenmüssen der Beklagten sind nicht ersichtlich.
5.
Durch die Unmöglichkeit der Rückzahlung ist dem Kläger ein Schaden in Höhe der
Klageforderung entstanden. Darauf, dass in der durch das OLG Köln freigegebenen
Durchführung des Beschlusses der Gläubigerversammlung kein Verschulden der
Beklagten gesehen werden kann, kommt es nicht an, well gemäß § 287 S. 2 BGB die
Beklagte auch für den zufälligen Untergang haftete.
Der Umstand, dass dem Kläger im Gegenzug für die verlorene Klägeranleihe Erwerbsrechte
zugeschrieben wurden, mindert den Schaden nicht, da der Kläger der
Beklagten die Übertragung dieser Rechte angeboten hat Der Kläger muss sich nicht
darauf einlassen, die Erwerbsrechte zu behalten und nur - gegebenenfalls - die
Wertdifferenz zu seinem erloschenen Rückzahlungsanspruch als Schaden geltend
zu machen.
6.
Der Schadensersatzanspruch ist auch nicht gemäß § 254 BGB wegen eines Mitverschuldens
des Klägers ausgeschlossen.’
a)
Der Kläger war nach Meinung der Kammer nicht verpflichtet, das Unmöglichwerden
der Rückzahlung der Anleihe durch Anfechtung des Beschluss der Gläubigerversammlung
gemäß § 20 SchVG bzw. § 11 des Annex 2 zu verhindern. Dabei verkennt
die Kammer nicht, dass der Sinn der durch das SchVG eingeführten Anfechtungsmöglichkeit
weniger darin besteht, einen Rechtsschutz zu eröffnen, als vielmehr darin,
ihn zu beschränken und ihn zu kanalisieren und dadurch Rechtssicherheit für den
Schuldner und alle gegenwärtigen und künftigen Anleihegläubiger zu schaffen
(Maier-Reimer, NJW 2010, 1317). Die Interessen der Beklagten und der übrigen
Schuldner sind jedoch nach Meinung der Kammer hinreichend dadurch gewahrt,
dass der Beschluss als solcher ohne eine Anfechtung durch einen Gläubiger nicht
rückgängig gemacht werden kann.
Eine Anfechtung durch den Kläger hätte die Durchführung des Beschlusses Im vorliegenden
Fall außerdem aller Voraussicht nach nicht verhindert. Es ist davon auszugehen,
dass das OLG Köln auch bei Anhängigkeit einer Anfechtungsklage des Klägers
gemäß § 246a AktG die Freigabe beschlossen hätte und der Kläger deshalb
ohnehin auf Schadensersatzansprüche verwiesen gewesen wäre (§ 246a Abs. 4
AktG i.V.m. § 20 Abs 3 SchVG bzw. § 11 Abs. 3 Annex 2).
b)
Der Vorschrift des § 246a Abs. 4 AktG kann auch keine Sperrwirkung dergestalt entnommen
werden, dass ein Schadensersatzanspruch ausscheidet, wenn ein Beschluss,
dessen Umsetzung einen Anspruch gemäß §§ 280, 287 BGB auslöet, nicht,
angefochten wurde. Dies ergibt sich schon daraus, dass nicht sicher ist, ob der Kläger
die Unwirksamkeit des Beschlusses der Gläubigerversammlung Oberhaupt erfolgreich
hätte geltend machen können. Dass ein fälliger Anspruch des Klägere aus
der Anleihe durch die Umsetzung des Beschlusses untergeht, bedeutet nicht
zwangsläufig, dass dieser Beschluss Rechte des Klägers verletzt.
III.
Ein Anspruch auf Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB besteht erst seit dem
18.05.2013, weil Verzug gemäß § 280 Abs. 2 Nr. 3 BGB erst mit der Erfüllungsverweigerung
der Beklagten eingetreten ist. In dem Schreiben des Klägers vom
10.05.2013 war eine Frist von drei Wochen gesetzt, so dass dieses keinen unmittelbaren
Verzugseintritt begründen konnte, Seit dem Entfallen des ursprünglichen
Rockzahlungsanspruchs folgt der Anspruch auf Verzinsung aus § 291 BGB.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO,
Streitwert: 41.320,77 €
XXX XXX XXX
GESAMT

Freitag, 18. April 2014

Doch das Frankfurter Landgericht hat nun zwei Einschränkungen in das Gesetz hineingelesen (Az.: 3-05 O 60/11 und 3-05 O 142/11). Die eine betrifft das sogenannte Reinheitsgebot. Dieses besagt, dass das Gesetz nur für Anleihebedingungen gelten soll, die ausnahmslos deutschem Recht unterstehen

UnternehmensanleihenDer Reform droht das Scheitern

  ·  Eine Gesetzesreform sollte es angeschlagenen Unternehmen erleichtern, Anleiheschulden zu restrukturieren. Zwei Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt gefährden dies.
Nach jahrzehntelangen Diskussionen ist im August 2009 das neue Schuldverschreibungsgesetz in Kraft getreten. Ziel des Gesetzgebers war es, einen Rechtsrahmen für Anleihen zu schaffen, der internationalen Standards genügt. So sollte erreicht werden, dass Unternehmen ihre Anleihen wieder verstärkt nach deutschem Recht ausgeben, statt ausländisches Recht zu wählen.
Trotz einiger Defizite und dogmatischer Schwächen - wie die ursprünglich nicht vorgesehene Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen - wurde das Gesetz überaus positiv aufgenommen. Unternehmensanleihen nach deutschem Recht erlebten eine unerwartete Renaissance, und zwar nicht zuletzt beim Mittelstand. Plötzlich wurden sogar Hochzinsanleihen den hiesigen Regeln unterstellt.

Einer will alles, schon kriegt keiner etwas

Doch dieser Erfolg ist nun durch zwei überraschende Gerichtsentscheidungen gefährdet. Darin wird der Anwendungsbereich des Gesetzes erheblich eingeschränkt und Unsicherheit geschaffen. Das bedroht die Ziele der Reform. Denn der Bundestag wollte erklärtermaßen ein international anerkanntes Sanierungsinstrument in das deutsche Recht aufnehmen, um ein typisches „Kollektivhandlungsproblem“ zu lösen.
Solche Probleme sind dadurch gekennzeichnet, dass es für einen bestimmten Personenkreis wirtschaftlich sinnvoll sein kann, sich gemeinschaftlich auf eine Verringerung ihrer Maximalforderungen einzulassen, die in der Summe erkennbar unerreichbar geworden sind. Man denke nur an die griechischen Staatsanleihen.
Allerdings besteht für den einzelnen Gläubiger - trotz der Gruppenlogik - durchaus ein Anreiz, sich dem kollektiven Verzicht zu entziehen. Wenn nämlich genügend andere verzichten und dem Schuldner so Luft verschaffen, dann steigen die Chancen des Verweigerers, dass er vielleicht doch seine Maximalforderung durchsetzen kann. Da nun aber viele Gläubiger so denken werden, droht die Entlastung des insolvenznahen Schuldners insgesamt - zum Nachteil aller - am Egoismus der Verweigerer zu scheitern.

Wenn viele verzichten, haben alle mehr

Das Gesetz von 2009 überwindet diese Form des Marktversagens, indem es einen Rahmen für Mehrheitsentscheidungen absteckt. Stimmt eine qualifizierte Mehrheit der Anleihegläubiger für eine Änderung der Bedingungen, dann gilt dies für alle. Dabei lehnt sich der Gesetzgeber bewusst an Mehrheitsbeschlüsse der Aktionäre an. Dieser Ansatz ist stimmig, weil es jeweils um handelbare Wertpapiere geht und Sanierungen nur als Gesamtpaket funktionieren. Eigen- und Fremdkapitalgeber müssen beide verzichten.
Hinzu kommt oftmals ein Beitrag der Arbeitnehmer. Nur durch den kollektiven Verzicht wird das zu sanierende Unternehmen an frisches Geld kommen und vielleicht überleben. Dass dies gesamtwirtschaftlich wünschenswert ist, liegt offen zutage.

Auf Seiten der Querulanten

An die Stelle eines - überspitzt formuliert - auf die Insolvenzquote ausgerichteten Zerschlagungsrechts tritt somit mehr und mehr ein ganzheitlicher Fortführungsansatz. Im Schuldverschreibungsgesetz geht es also vorrangig nicht um individuellen Anlegerschutz, sondern um den Schutz der überwältigenden Mehrheit von „Stakeholdern“ - also den der Arbeitnehmer, Aktionäre, Anleihegläubiger und anderen Kreditgeber, die im wohlverstandenen eigenen Interesse bereit sind, dem insolvenznahen Unternehmen ein Weiterleben zu ermöglichen.
Anders gewendet: Wer den Wirkungsgrad des Gesetzes einschränkt, schützt nicht Kleinanleger, sondern schlägt sich (wie beispielsweise die Umschuldung Argentiniens lehrt) auf die Seite von nerven-, weil kapitalstarken Verweigerern oder professionellen Anfechtungsklägern. Effektiver Anlegerschutz funktioniert vor allem über das Wertpapierhandels- und Prospektrecht sowie die neue europäische Produktintervention.

Problem Finanzierungsgesellschaft

Das gesetzgeberische Ziel spricht also für eine weite Anwendung. Doch das Frankfurter Landgericht hat nun zwei Einschränkungen in das Gesetz hineingelesen (Az.: 3-05 O 60/11 und 3-05 O 142/11). Die eine betrifft das sogenannte Reinheitsgebot. Dieses besagt, dass das Gesetz nur für Anleihebedingungen gelten soll, die ausnahmslos deutschem Recht unterstehen.
Dies ist jedoch bei deutschen Emittenten, die ihre Anleihen über ausländische Finanzierungsgesellschaften (meist in den Niederlanden) begeben, bei bestimmten Anleihetypen nicht der Fall. In diesen Konstellationen, die der Gesetzesbegründung zufolge ebenfalls erfasst werden sollten, beurteilt sich die Rangfolge der Forderungen bei einer Insolvenz des Emittenten zwingend nach dem jeweiligen ausländischen Insolvenzrecht.
Daher werden Regelungen in den Anleihebedingungen, die die Rangordnung der Forderungen berühren, oftmals dem betreffenden ausländischen Recht unterstellt. Da die Sanierung von Unternehmen aber schwerpunktmäßig am Sitz der operativen Gesellschaften erfolgen muss, ist es dennoch sinnvoll und rechtspolitisch wünschenswert, dass die Restrukturierung solcher Anleihen deutschem Recht unterstellt wird.

Reformverschleppung

Entsprechendes gilt für das „Opt-In“ - also einen Beschluss, mit dem sich die Gläubiger von Altanleihen dafür entscheiden, dass statt der bei Emission geltenden Rechtslage das Gesetz von 2009 gelten soll. Doch auch hier legt das Landgericht die neuen Vorschriften so restriktiv aus, dass entgegen dem dokumentierten Willen des Gesetzgebers eine Anwendung speziell bei Auslands-, aber auch bei deutschen Altanleihen stark eingeschränkt wird. Da Anleihen oft lange Laufzeiten haben, würde diese widersinnige Begrenzung bedeuten, dass man noch zwei bis drei Jahrzehnte mit einem gespaltenen Sanierungsregime leben müsste.
Der Bundestag hat hat es allerdings versäumt, Mehrheitsentscheidungen zu regeln, die über verschiedene Emissionen hinweg greifen. Daher sollte die Bundesregierung jetzt ihr Versprechen von damals einlösen, die Wirkung des Gesetzes laufend zu überprüfen und erforderliche Anpassungen vorzunehmen. Dergestalt könnten sowohl die skizzierten Auslegungsprobleme gelöst als auch die konstruktiven Schwächen des Gesetzes beseitigt werden.
Der Autor ist Direktor des Instituts für Wirtschaftsrecht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Quelle: F.A.Z.

Mittwoch, 16. April 2014

Das Gesetz differenziert zwischen dem gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger nach §§ 14 ff. SchVG 1899 und dem Vertragsvertreter nach § 16 SchVG 1899. DerenBefugnisse und Rechtsstellungen weichen voneinander ab.124

  1. Die Anleihegläubigermehrheit: eine ...

    books.google.de/books?isbn=316150643X
    Roland Schmidtbleicher - 2010 - ‎Bond market
    Das Gesetz differenziert zwischen dem gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger nach §§ 14 ff. SchVG 1899 und dem Vertragsvertreter nach § 16 SchVG 1899. DerenBefugnisse und Rechtsstellungen weichen voneinander ab.124 a) Der ...