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Donnerstag, 23. Mai 2013

In Sanierungsfällen sollten Anleihegläubiger zusammenhalten


INTERVIEWIn Sanierungsfällen sollten Anleihegläubiger zusammenhalten

Angeschlagene Firmen wie Praktiker versuchen häufig, die Zinsen ihrer Anleihen zu drücken. Anwalt Klaus Nieding erklärt, warum Gläubiger einer Zinsänderung nicht zustimmen müssen und wie sie ihre Rechte durchsetzen.
Am Mittwoch steht bei Praktiker die nächste Gläubigerversammlung der Anleiheinhaber an. Quelle: dpa
Am Mittwoch steht bei Praktiker die nächste Gläubigerversammlung der Anleiheinhaber an.Quelle: dpa
In Zeiten niedriger Zinsen stürzen sich viele Anleger auf Unternehmensanleihen. Doch wenn die Firma in finanzielle Schwierigkeiten gerät, wollen die Unternehmen häufig niedrigere oder gar keine Zinsen mehr zahlen. Zuletzt hat beispielsweise Praktiker versucht, die Zinsen zu drücken. Wie können sich Anleihegläubiger dagegen wehren?
Zunächst einmal muss man verinnerlichen, was eine Anleihe rechtlich ist. Vereinfacht dargestellt handelt es sich um ein Darlehen, das eine Vielzahl von Darlehensgebern (Anleihegläubiger) einem Schuldner (Anleiheschuldner) gewähren. Der Darlehensgewährung liegen vertragliche Regelungen, die Anleihebedingungen, zugrunde.
In den Bedingungen ist insbesondere die Pflicht zu Zinsenzahlungen geregelt.
Ja, die vertragliche Pflicht des Anleiheschuldners besteht grundsätzlich darin, den Darlehensbetrag zu einem vereinbarten Termin zurückzuzahlen. Darüber hinaus ist der Darlehensnehmer verpflichtet, einen geschuldeten Zins entweder zu einem vereinbarten Termin oder bei Endfälligkeit zu zahlen.
Und diese Bedingungen dürfen nicht einseitig geändert werden?
Möchte der Schuldner die Zahlungsmodalitäten (Zinshöhe und Fälligkeit) ändern, so stellt dies eine Vertragsänderung dar, der beide Seiten zustimmen müssen. Es gilt grundsätzlich: Ohne Zustimmung der Anleihegläubiger keine Änderung der Zahlungskonditionen. Wenn es also diesbezüglich einer Änderung bedarf, kann die Anleiheschuldnerin die Gläubigerversammlung einberufen.

So legen die Deutschen ihr Geld an

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    Sicherheitsdenken dominiert sehr stark auch die Anlagestrategien männlicher Finanzanleger. 86 Prozent der befragten Männer können sich nicht vorstellen, bei Anlagen für eine höhere Rendite ein höheres Risiko in Kauf zu nehmen. Frauen sind aber offenbar noch sicherheitsorientierter: 96 Prozent von ihnen wollen bei der Geldanlage möglichst kein Risiko eingehen.
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Welche Rechte hat der Gläubiger, wenn der Schuldner nicht mehr zahlen will?
Kann der Schuldner seiner vertraglich vereinbarten Pflicht zur Zinszahlung nicht nachkommen, so muss das der Anleihegläubiger zunächst einmal hinnehmen, da er das Bonitätsrisiko des Schuldners trägt. Der Anleihegläubiger hat bei Nichtzahlung jedoch Rechte aus dem Vertragsverhältnis, insbesondere den Anspruch auf Zahlung von Zinsen. Darüber hinaus kommen weitere individuelle Rechte des einzelnen Anleihegläubigers in Betracht und solche, die kollektiv von der Gesamtheit der Anleihegläubiger geltend gemacht werden können.
Wie kann sich der Anleihegläubiger mit Bezug auf seine individuellen Rechte wehren?
Bleibt eine Zinszahlung aus, so hat der Anleihegläubiger neben dem regulären Zahlungsanspruch auf Zinsen bei Fälligkeit nach den Vertragsbedingungen regelmäßig ein Recht zur Kündigung und Gesamtfälligstellung der von ihm gehaltenen Anleihebeteiligung. Er kann dann die Rückzahlung nebst Zinsen verlangen. Dies muss jedoch individuell geprüft werden. Darüber hinaus kommen gegebenenfalls Schadenersatzansprüche aufgrund strafrechtlicher Erwägungen in Betracht, wenn ein Verdacht auf Untreue oder Betrug gegen den Anleiheschuldner besteht und sich bewahrheitet.
Anlegeranwalt Klaus Nieding erklärt die Rechte von Anleihegläubigern. Quelle: Bert Bostelmann / Bildfolio für Handelsblatt
Anlegeranwalt Klaus Nieding erklärt die Rechte von Anleihegläubigern.Quelle: Bert Bostelmann / Bildfolio für Handelsblatt
Alternativ können die Anleihegläubiger sich aber auch gemeinsam wehren. Welchen Vorteil hätte das?
Die Anleihegläubiger können ihre Rechte auch im Kollektiv, der Gläubigerversammlung, durchsetzen und Entscheidungen als Gesamtheit treffen. Die Beschlüsse sind dann für alle Anleihegläubiger der gleichen Anleihe verbindlich. Die wichtigsten Beschlüsse sind die Wahl eines Gemeinsamen Vertreters und die Möglichkeit der Änderung der Anleihebedingungen. Insbesondere in Sanierungsfällen ist ein kollektives Vorgehen angeraten, um als Gläubiger geschlossen aufzutreten und ein einheitliches Vorgehen mit der entsprechenden Handlungsstärke gegenüber dem Anleiheschuldner durchzusetzen.
Die Anleihegläubiger können also gemeinsam ablehnen, dass die Vertragsbedingungen geändert und die Zinszahlungen reduziert werden?
Das ist grundsätzlich möglich. Für die wirksame Beschlussfassung der Gläubigerversammlung stellt das Gesetz gewisse Anforderungen auf. So muss ein bestimmter Teil des ausstehenden Kapitals bei der Versammlung anwesend sein und für die Beschlussfassung ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Ist die Gläubigerversammlung bei der ersten Versammlung nicht beschlussfähig, so kann eine zweite Versammlung folgen. In diesem Fall gelten erleichterte Bedingungen für die wirksame Beschlussfassung. In den meisten Fällen kommt es zur Wiederholung der Gläubigerversammlung, da die Kleinanleger, die bereits Geld verloren haben, nicht bereit sind auch noch Fahrtkosten für die Teilnahme an der Versammlung aufzuwenden.
Gläubiger können also die Beschlussfassung verzögern, wenn sie der Versammlung fernbleiben?
Ja, hier ist jedoch nach dem Zweck und dem individuellen Fall zu fragen. Als Anleihegläubiger weiß ich, dass ich mit mehreren in einem Boot sitze. Auch ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Anleger die gleichen Motive wie ich hat, nämlich zumindest das investierte Kapital zurückzuerhalten.
Bei der Gläubigerversammlung von Praktiker steht an diesem Mittwoch die Wahl eines Gemeinsamen Vertreters auf der Tagesordnung. Welche Vor- und Nachteile bringt ein solcher Vertreter mit sich?
Bei der Wahl des Gemeinsamen Vertreters werden auch seine Befugnisse von der Gläubigerversammlung festgelegt, also inwieweit er für die Anleihegläubiger handeln darf. Im Ergebnis sind die Nachteile für den einzelnen Anleihegläubiger daher gering. Der Vorteil ist, dass ein gebündelter Informationsfluss und eine zentrale Anlaufstelle für die Anleihegläubiger beispielsweise neben dem Insolvenzverwalter geschaffen wird, welcher meist mit der Unternehmensverwertung oder Sanierung befasst ist.
Der Gemeinsame Vertreter kann also nicht über die Köpfe der anderen Gläubiger hinweg entscheiden?
Ein Durchentscheiden einer Person, also die alleinige Entscheidung ohne vorherige Ermächtigung durch die Gläubigerversammlung (Marschroute), gibt es grundsätzlich nicht. Er kann also nicht allein die detaillierten Bedingungen für einen Zinsverzicht festlegen. Aufgrund der Befugnis der Gläubigerversammlung kann er zwar gegebenenfalls Verhandlungen führen, über einen Konsens muss jedoch die Gläubigerversammlung entscheiden. Auch im Falle einer Abwicklungsinsolvenz bietet sich der Gemeinsame Vertreter an, da die gesamte Forderungsanmeldung auf diesen ausgelagert werden kann und die einzelnen Gläubiger sich nicht mehr individuell um die Forderungsanmeldung kümmern müssen.
Im Fall Praktiker liegt ein großer Teil der Anleihen in institutioneller Hand. Wie können sich Kleinanleger wehren, wenn sie nicht mit deren Meinung übereinstimmen?
Das kollektive Anleihegläubigerrecht basiert auf dem Mehrheitsgrundsatz, so dass wir in diesem Fällen den Anlegern stets zu einer Interessenbündelung raten um das Kräfteverhältnis zwischen den einzelnen Anlegergruppen auszugleichen. Bei der Gläubigerversammlung selbst kann natürlich auch der einzelne Gläubiger aktiv agieren, um die übrigen Anleihegläubiger, von einem bestimmten Vorgehen zu überzeugen.
Dass die Vertragsbedingungen überhaupt nachträglich geändert werden können, hängt mit dem neuen Schuldverschreibungsgesetz zusammen. Wie sind Ihre Erfahrungen, gehen die Änderungen immer zum Nachteil der Anleger aus?
Das Wort Nachteil ist bei Unternehmensanleihen immer so eine Sache. Der Gläubiger bekommt für sein eingesetztes Kapital meist eine überdurchschnittliche Verzinsung, welche natürlich auch einen Risikoaufschlag beinhaltet. Dieser preist auch ein etwaiges Ausfallrisiko mit ein, Stichwort Griechenland. Der Anleihegläubiger riskiert daher sein Kapital, indem er es einem Unternehmen gibt, anstelle dieses auf einem Tagesgeldkonto mit niedriger Verzinsung und Einlagensicherung und Rückzahlungsgarantie anzulegen. Kommt es dann zu einer Schieflage des Unternehmens muss eine adäquate Lösung gefunden werden, mit der sowohl die Anleihegläubiger, wie auch das Unternehmen leben können. Gelingt dies nicht, folgt meist die Insolvenz.
Was raten Sie Anleihegläubigern, wenn ein Zinsverzicht droht?
Dies lässt sich nicht so einfach beantworten. Hier spielen diverse Aspekte eine Rolle, wozu auch gehören kann, eine soziale Verantwortung für die Belegschaft eines Unternehmens im Rahmen der Sanierung mitzutragen, da es gerade in Sanierungsfällen, die nicht selten auch durch Gehaltskürzungen von den Mitarbeitern getragen werden, um den Fortbestand des Unternehmens geht. Es stellt sich dann die Frage, ob der Anleger auf seiner Rendite beharren möchte und die Insolvenz des Unternehmens in Kauf nimmt, oder ob er einen Beitrag zu leisten bereit ist. Man sollte dabei nicht vergessen, dass der Anleger bewusst das Bonitätsrisiko des Unternehmens in Kauf genommen hat. Hierbei ist jedoch stets der individuelle Fall zu beurteilen.
Wie bewerten Sie die Position der Anleihegläubiger im Vergleich zu Aktionären? Wer hat mehr Rechte? 
Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass die Aktionäre mehr Rechte haben, da sie Gesellschafter des Unternehmens sind und daher mehr Einflussnahmemöglichkeiten auf die Geschäftsführung haben. Dies können die Anleihegläubiger, da diese nur Gläubiger und nicht Gesellschafter sind, nicht. Auf der anderen Seite haben die Anleihegläubiger regelmäßig eine bessere Position, da sie eben Gläubiger und nicht Gesellschafter sind. Daher werden Sie im Insolvenzverfahren im Vergleich zu Aktionären vorrangig aus der Insolvenzmasse befriedigt.
Im besten Fall kommt ein Anleger gar nicht erst in die Situation, in ein angeschlagenes Unternehmen zu investieren. Worauf sollte man bei der Wahl der Anleihen vorgehen?
Man sollte sich auf jeden Fall das Unternehmen genau anschauen, welches die Anleihen begibt. Wie sehen die letzten Jahresabschlüsse aus? Macht das Unternehmen Gewinne? Wie viele Anleihen hat das Unternehmen begeben? Wurden Anleihen vollständig zurückgezahlt? (Auch wenn dies nur ein Indiz ist). In einzelnen Fällen kommt es auch vor, dass die Anleihebedingungen vorsehen, dass auf manche Regelungen deutsches Recht nicht anwendbar ist. In diesem Fall müsste man gegebenenfalls bei Problemen in anderen Jurisdiktionen klagen, daher Vorsicht!
 http://www.handelsblatt.com/finanzen/recht-steuern/anleger-und-verbraucherrecht/interview-in-sanierungsfaellen-sollten-anleiheglaeubiger-zusammenhalten-seite-all/7600542-all.html
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welche Rechte der gemeinsame Vertreter ha


Hallo Rolf,

habe nochmal recherchiert, welche Rechte der gemeinsame Vertreter hat. Er hat die Rechte, die ihm eingeräumt wurden, mit gewissen Einschränkungen:


Der Gemeinsame Vertreter kann also nicht über die Köpfe der anderen Gläubiger hinweg entscheiden?
Ein Durchentscheiden einer Person, also die alleinige Entscheidung ohne vorherige Ermächtigung durch die Gläubigerversammlung (Marschroute), gibt es grundsätzlich nicht. Er kann also nicht allein die detaillierten Bedingungen für einen Zinsverzicht festlegen. Aufgrund der Befugnis der Gläubigerversammlung kann er zwar gegebenenfalls Verhandlungen führen, über einen Konsens muss jedoch die Gläubigerversammlung entscheiden. Auch im Falle einer Abwicklungsinsolvenz bietet sich der Gemeinsame Vertreter an, da die gesamte Forderungsanmeldung auf diesen ausgelagert werden kann und die einzelnen Gläubiger sich nicht mehr individuell um die Forderungsanmeldung kümmern müssen.


Ist die Firma aber bereits insolvent, hat nach § 19 Abs. 3 SchVG der gemeinsame Vertreter das volle Sagen. Allerdings kann auch hier das Abstimmungsverhalten des gemeinsamen Vertreters zum Insolvenzplan vorgegeben werden (was aber wohl nicht erfolgt ist).
Hätte man die Gläubigerversammlung nach dem Ende der Anfechtungsfrist durchgeführt, hätten wir gestern gar nicht kommen zu brauchen. Aber egal, hatte ja einen gewissen Unterhaltungswert ….

Gruß

Montag, 20. Mai 2013

Ist das SchVG noch zu retten?1


Ist das SchVG noch zu retten?1

Dr. Hannes Schneider

I. Übersicht

Was sich wie eine Provokation anlässt, ist eher eine zeitgemäße Frage.
Um es gleich zu sagen: Ich sehe die Kapitalmarkttauglichkeit und die Wettbewerbsfähigkeit
des Gesetzes und damit dessen Akzeptanz bei den Anwendern als gefährdet an. Das Gesetz
findet – von den zwingenden §§ 2 bis 4 abgesehen – nur Anwendung, wenn es von den
Emittenten gemäß der Opt-in-Regelung (§ 5 Abs. 1 S. 1) in den Anleihebedingen berufen
wird. Sehen die Anwender die Regelungen über die Änderung der Anleihebedingungen und
den Treuhänder nicht – nicht mehr – als vorteilhaft an, wählen sie das Gesetz ab. Sei es, dass
sie es nicht berufen. Sei es, dass sie ein fremdes Recht berufen, etwa das englische, welches in
ihrer Sicht die vom Schuldverschreibungsgesetz angestrebten Zwecke angemessener und
besser erreicht. Eine solche Abwendung von dem Gesetz geschähe vermutlich nicht über
Nacht, sondern in einem länger währenden Prozess.
Von dem verunglückten Anfechtungsrecht des § 20 abgesehen: Das Gesetz erfüllt im Großen
und Ganzen seine angestrebten Zwecke und die Bedürfnisse der Praxis. Das Gesetz ist ein
Meilenstein im deutschen Anleiherecht nach der über hundertjährigen Geltung des alten
Schuldverschreibungsgesetzes – dessen Existenz weithin in Vergessenheit geraten war. Das
Gesetz schafft auch den angestrebten Anschluss an das englische und amerikanische Recht –
und kann damit im Wettstreit der Rechte bestehen. Dies alles ist mit dem Vorbehalt
gegenüber dem Anfechtungsrecht gesagt.
Es ist eine kluge Entscheidung des Gesetzgebers, es den Emittenten zu überlassen, ob sie in
Anwendung der Opt-in-Regelung (§ 5 Abs. 1 S. 1) ihre Anleihen den Bestimmungen des
Gesetzes unterwerfen wollen. Das Gesetz unterliegt damit einem fortdauernden
Eignungstest, ob es seinen angestrebten Zwecken, den Bedürfnissen der Praxis und seinem
Ziel, auch international wettbewerbsfähig zu sein, gerecht wird. Solange es diesen Test
1 Herrn Professor Baums danke ich für die ehrenvolle Vortragseinladung. Ich gehe in diesem Beitrag von
meinem Redemanuskript vom 28. Juni 2012 aus, begründe allerdings ausführlicher, was wegen der zeitlichen
Vorgabe nur verkürzt gesagt werden konnte. Die Hinweise sind nicht umfassend und beziehen sich oftmals auf
eine bereits fertiggestellte Arbeit mit weiterführenden Hinweisen. Im streitbaren Diskurs stehen nicht Namen,
sondern Meinungen im Vordergrund.3
besteht, findet es nicht nur Akzeptanz, sondern es steht auch seine Kapitalmarkttauglichkeit
und Wettbewerbsfähigkeit außer Frage. Das eine bedingt das andere.
Das Gesetz wird derzeit noch von den Anwendern akzeptiert.
Die Emissionsprogramme deutscher Emittenten unterstehen heute deutschem Recht, von
zahlenmäßig vernachlässigbaren Ausnahmen abgesehen. Das war anfangs anders: Sie
unterlagen englischem Recht, vereinzelt auch dem New Yorker Recht. In einer
repräsentativen Anzahl von Emissionsprogrammen deutscher und österreichischer Emittenten
optieren rund 2/3 der Programme für das Gesetz. Das ist ein gutes Ergebnis. High Yields
deutscher Emittenten unterlagen vor dem SchVG ausnahmslos dem New Yorker oder dem
englischen Recht. Seither ringt das deutsche Recht auch hier um Geltung; der Durchbruch
aber ist noch nicht ganz geschafft.
Die Bedrohung der Akzeptanz des Gesetzes kommt aus zwei Richtungen.
Einmal aus bedenklicher Gesetzesauslegung und -anwendung in Literatur, Rechtsprechung
und selbst beim Gesetzgeber – auch letzteres ist möglich.
Zum anderen aus dem Anfechtungsrecht gegen Gläubigerbeschlüsse und der damit
verbundenen Kassation des fehlerhaften Beschlusses. Das dem Aktienrecht entlehnte
Anfechtungsrecht ist im Schuldverschreibungsrecht konzeptionell verfehlt. Das Interesse des
überstimmten Gläubigers ist auf Vermögensschutz gerichtet, nicht auf Vernichtung des
Beschlusses. Der Gesetzgeber sollte an die Stelle des Anfechtungsrechts einen
verschuldensunabhängigen Anspruch des dissentierenden Gläubigers auf Wertersatz setzen,
der im Wege der Leistungsklage zu verfolgen ist2
.
Es erweist sich darüber hinaus als geboten, ergänzend eine Nichtigkeitsklage einzuführen,
die die Kassation des Beschlusses bei ungewöhnlich gravierenden Rechtsverstößen
ermöglicht. Diese Rechtsverstöße sollten im Wege des numerus clausus abschließend
bestimmt sein. Hinzu kommen müssten gesetzliche Vorkehrungen, die den Missbrauch einer
solchen Klage erschweren3
.
http://www.ilf-frankfurt.de/uploads/media/ILF_WP_135.pdf

Opt-in ausländischer Altanleihen ins neue Schuldverschreibungsgesetz


Opt-in ausländischer Altanleihen ins neue 
Schuldverschreibungsgesetz

Dr. Daniel Weiß, LL.M. (Univ. Chicago)1

I. Vorbemerkungen

Das neue Schuldverschreibungsgesetz (SchVG)2
hat mit Wirkung vom 5.8.2009 das
Schuldverschreibungsgesetz von 18993
abgelöst. Ein wesentliches Ziel des
Reformgesetzgebers war es, die Restrukturierung von Anleihen und damit die Sanierungen
von Unternehmen in der Krise zu erleichtern. Außerdem sollte das deutsche
Schuldverschreibungsrecht insgesamt modernisiert und an internationale Standards angepasst
werden. Mit dem SchVG ist ein großer Wurf gelungen, der das deutsche
Schuldverschreibungsrecht vom Stand des 19. ins 21. Jahrhundert beförderte. Dieser Beitrag
befasst sich in kritischer Würdigung der zwischenzeitlich ergangenen instanzgerichtlichen
Rechtsprechung mit der Anwendbarkeit des Gesetzes auf Anleihen ausländischer Emittenten,
die vor Inkrafttreten des SchVG begeben wurden. Außerdem wird der Frage nachgegangen,
ob die bei bestimmten Anleihetypen nicht unüblichen Nebenbestimmungen ausländischen
Rechts einer Anwendbarkeit des SchVG entgegenstehen. Dies sind jeweils Themen von hoher
praktischer Relevanz wenn man sich vor Augen hält, dass deutsche Unternehmen ihre
Anleihen überwiegend unter Einschaltung ausländischer Emissionsvehikel emittieren.
II. Opt-in von Altanleihen
Das neue Schuldverschreibungsrecht sieht in § 24 Abs. 2 SchVG vor, dass Gläubiger von
Anleihen, die vor dem 05.08.2009 begeben wurden (sog. Altanleihen), mittels eines
qualifizierten Mehrheitsbeschlusses die betreffende Anleihe dem Regime des neuen SchVG
unterwerfen können (sog. Opt-in). Damit ist auch für Gläubiger von Altanleihen der Weg
eröffnet, von den Möglichkeiten des SchVG Gebrauch zu machen und insbesondere mittels
Mehrheitsentscheidung Sanierungsmaßnahmen zu beschließen. In einer viel beachten
Entscheidung hat das OLG Frankfurt a. M. die Möglichkeit des Opt-in für Anleihen außerhalb
des Anwendungsbereichs des SchVG 1899, d.h. im wesentlichen Anleihen ausländischer.....

http://www.ilf-frankfurt.de/uploads/media/ILF_WP_136.pdf

Anleihen sind Dauerschuldverhältnisse und sind ausserordentlich kündbar // von Urgestein Ulrich Bosch


Das
Emissionsgeschäft
Dr. Ulrich Bosch
Dr. Wolfgang Groß

bank-verlag köln


Vorwort
Das Emissionsgeschäft, verstanden entweder im engeren Sinn, nämlich als »die Übernahme von
Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Plazierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien«
(so die Legaldefinition in § 1 Abs. 1 Nr. 10 KWG), oder auch in einem weiteren Sinn, nämlich unter
Einschluß der Plazierung von Wertpapieren für fremde Rechnung (Absatzvermittlung), wird durch
Vorschriften in einer Vielzahl von Rechtsgebieten geregelt und bestimmt. Dazu gehören u.a. bankaufsichtsrechtliche
Bestimmungen und die im Börsenrecht und dem Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz
geregelten regulatorischen Rahmenbedingungen für die Plazierung von Wertpapieren. Aufgrund
der Intemationalisierung des Emissionsgeschäfts spielen dabei nicht nur die nationalen Vorschriften
eines Landes, etwa des Sitzstaates des Emittenten, sondern verschiedener Länder, z.B. die
Kapitalmarktvorschriften all derjenigen Länder, in denen die Wertpapiere plaziert werden sollen, eine
Rolle. Darüber hinaus sind ganz unterschiedliche Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen beteiligten
Parteien zu beachten, insbesondere diejenigen zwischen den verschiedenen Konsortialmitgliedem,
zwischen dem Konsortium oder einzelnen plazierenden Banken und dem Emittenten, zwischen
den plazierenden Banken und den Anlegern und schließlich zwischen dem Emittenten und den Anlegern.
Bei der Vielzahl der betroffenen Rechtsgebiete und Rechtsbeziehungen muß eine Darstellung des
Emissionsgeschäfts neben dem erforderlichen Überblick über den Gesamtzusammenhang Schwerpunkte
setzen. Dies gilt zum einen im Hinblick auf die durch den Einfluß internationaler Entwicklungen
sich verändernden Strukturen und Techniken des Emissionsgeschäfts; als Stichworte seien hier
nur das Bookbuilding-Verfahren, die Globalanleihen und die Emissionsprogramme genannt. Das bedeutet
aber zum anderen auch, daß rechtliche Zweifelsfragen immer in Relation zu ihrer Bedeutung
für den Praktiker und dessen Entscheidungsfmdungsprozeß zu setzen und zu untersuchen sind. Ein
besonderes Augenmerk der Autoren galt rechtspolitischen Entwicklungen, beispielsweise in bezug
auf Prospektpflicht und Prospekthaftung. Schließlich waren wir bestrebt, durch Beispiel- und Mustertexte
im Interesse sowohl der täglichen praktischen Arbeit als auch der Rechtswissenschaft für Anschaulichkeit
und Praxisnähe zu sorgen.

Die nachfolgende Darstellung des Emissionsgeschäfts ist ein Sonderdruck aus dem fünfbändigen
Werk »Bankrecht und Bankpraxis«. Verlag und Autoren wollen damit sowohl den Beziehern von
»Bankrecht und Bankpraxis« den Teil »Emissionsgeschäft« in Form eines handlichen Zusatzexemplars
anbieten, als auch über den Kreis der Bezieher des Gesamtwerks hinaus für die im Bereich
Emissionsgeschäft tätigen Mitarbeiter von Emittenten und Banken, Rechtsanwälte und sonstigen
Emissionsberater sowie Richter und Wissenschaftler die Arbeit nutzbar machen.

Frankfurt, im Februar 1998
Ulrich Bosch
Wolfgang Groß


d) Sonstige Regelungen (Kündigungsklauseln, Negativklauseln u.a.)

Außer den Regeln über Zahlungen und Zahlungsabwicklung enthalten Schuldverschreibungen oft
detaillierte ergänzende Bestimmungen, etwa über
• die Tragung von Quellensteuern durch den Emittenten bei internationalen Anleihen (Steuerklausel;
Rn 10/189; Musters. Rn 10/246, § 5 (1 ), und Rn 10/254, unter § 8),
• ein ordentliches Kündigungsrecht der Anleger (put provision; vgl. Muster Rn 10/254, § 6 (6)) oder
des Emittenten (call provision; vgl. Muster Rn 10/246, § 3 (3), und Rn 10/254, § 6 (5)), ein Ausstattungsmerkmal,
das wegen seiner Auswirkung auf die Laufzeit bereits unter Rn 10/178 erwähnt
wurde,
• ein außerordentliches Kündigungsrecht des Emittenten, das meist nur aus Steuergründen
— nämlich bei Einführung einer Quellensteuer - gewährt wird (vgl. Rn 10/192 und Muster Rn
10/246, § 5 (2) und (3), und Rn 10/254, § 6 (3)),
• außerordentliche Kündigungsrechte der Anleger, vor allem wegen Z ahlungsverzugs des Emittenten
oder sonstiger in den Emissionsbedingungen zu definierender Ereignisse, die als Gefährdung
der Ansprüche der Gläubiger angesehen werden (s. Muster Rn 10/246, § 10, und 10/254, § 10),
• eine dingliche oder persönliche Besicherung (Rn 10/194 ff.; Muster einer Garantie Rn 10/255) oder
• eine Verpflichtung, für bestimmte andere Finanzierungen keine Sicherheit zu gewähren oder dies
nur in beschränktem Umfang zu tun (Negativverpflichtung, negative pledge; s. Rn 4/3039 ff.;
Muster Rn 10/246, § 9, und Rn 10/254, § 3).3
Außerordentliche Gläubigerkündigungsrechte bestehen außer im Fall des Ausbleibens von Zahlungen
vor allem für den Fall des Eintritts folgender Umstände (im einzelnen s. jeweils § 10 in den
Mustern 10/246 und 254):
• Nichterfüllung einer anderen Pflicht aus den Schuldverschreibungen als einer Zahlungspflicht -
z.B. Verletzung einer Negativverpflichtung - und Fortbestehen der Verletzung nach Ablauf einer
bestimmten Frist trotz diesbezüglicher Mahnung,
• Drittverzug (cross default)4, d.h. die Verletzung von wesentlichen Zahlungs- oder sonstigen Pflichten
aus Finanzierungsverträgen mit Dritten oder vorzeitige Kündigung - eventuell auch schon der
1 Z u einigen Varianten vgl. Graaf, Euromarket Finance, 1 991, S. 44 f.
2 Die Flexibilität des variablen Zinssatzes bei den FRN (Grundmann in Bankrechts-Handbuch, 1997, § 1 1 2 Rn 8) wird durch
die hierbei erzielten Gestaltungsmöglichkeiten weit übertroffen. Die darüber hinaus gelegentlich noch im Schrifttum zu
findende Aussage, FRN seien nicht durch die Mindestreservepflicht und die Pflicht zur Haltung von Eigenmitteln belastet,
anders als Kreditaufnahmen bei Banken, (Grundmann in Bankrechts-Handbuch, 1997, § 1 1 2 Rn 8), ist nach deutschem
Recht überholt (vgl. zur Mindestreservepflicht etwa BVerwG ZIP 1996, 540) und traf im Ausland z.T. schon früher
nicht zu.
3 U.H. Schneider, Festschrift Stimpel, 1985, S. 887.
4 Dazu etwa Gruber, ÖBA 1990, 985 ff.
10/182
10/183
10/184
10/185
BuB 12.97 10/67


Eintritt der vorzeitigen Kündbarkeit - solcher Verträge wegen Verletzung von Pflichten des Emittenten
oder des etwaigen Garanten, und
• wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Emittenten oder Garanten als
Folge gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen oder ähnlicher Maßnahmen, besonders Verschmelzungen
(event risk).1
10/186a Unüblich sind dagegen Kündigungsrechte, die ohne nähere Spezifizierung und Einschränkungen
allgemein an das Vorliegen eines wichtigen Grundes (material adverse change) anknüpfen, z.B. an
eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Emittenten mit der Folge einer
Gefährdung der Gläubigeransprüche. Gleichermaßen selten sind Kündigungsrechte allein wegen
einer Herabstufung des Credit Rating von Wertpapieren des Emittenten oder des Garanten durch
eine Rating-Agentur. Solche Tatbestände können hingegen einen Teil der Voraussetzungen darstellen,
bei deren Vorliegen eine Kündigung wegen event risk (Rn 10/185) als gewissermaßen eines
besonderen Falls eines wichtigen Grunds zulässig ist. Die Kündigung wegen Drittverzugs (cross
default; Beispiel s. im Muster Rn 10/254, § 10(1) (c)) stellt ihrem Grundgedanken nach ebenfalls einen
Sonderfall der Kündigung aus wichtigem Grund dar. Der Wortlaut setzt allerdings meist eine Gefährdung
der Gläubigeransprüche nicht voraus, so daß der Emittent im Fall einer »technischen« Verletzung
von Pflichten gegenüber Dritten, die seine Bonität nicht beeinträchtigen, unter Umständen dennoch
mit einer Kündigung durch die Gläubiger oder einiger von ihnen rechnen muß.

10/186b In der Kapitalmarktpraxis wird zuweilen die Frage kontrovers erörtert, ob Schuldverschreibungen,
weil sie ein Dauerschuldverhältnis begründen, stets auch ohne dahin gehende Vereinbarung aus wichtigem
Grund fristlos gekündigt werden können. Für Darlehen hat der Bundesgerichtshof dies
bejaht.2 Der Grundsatz der Kündbarkeit aus wichtigem Grund beruht auf den Rechtsgedanken der
§§ 626, 554 a und 242 BGB. Voraussetzung ist - wie auch sonst für die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen
aus wichtigem Grund - , daß es der kündigenden Vertragspartei (hier: dem Darlehensgeber)
unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden
kann, das Schuldverhältnis fortzusetzen. Für Schuldverschreibungen dürfte insoweit nichts anderes
gelten als für Darlehen, nämlich daß sie ein Dauerschuldverhältnis begründen und daher grundsätzlich
auch den Regeln über die Kündbarkeit aus wichtigem Grund unterliegen.

Als Ausfluß des Grundsatzes von Treu und Glauben ist das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund
nicht ausschließbar.3 Folglich kann es insbesondere auch nicht durch einen ausführlichen Kündigungskatalog
konkludent ausgeschlossen werden.4 Mit den Grundsätzen der Rechtsprechung vereinbar
erscheint hingegen eine Auslegungsregel des Inhalts, daß der Begriff des wichtigen Grundes dann,
wenn die Bedingungen einen eingehenden und ausgewogenen Katalog von Gläubigerkündigungsrechten
enthalten, einschränkend auszulegen ist. Dieses Verständnis ergibt sich aus dem für das Kündigungsrecht
aus wichtigem Grund maßgeblichen und grundsätzlich einzelfallbezogenen Konzept der
Zumutbarkeit, nachdem ein Risiko in der Regel dann zumutbar ist, wenn es in den Bedingungen
angesprochen und die Risikoverteilung dort geregelt ist. Dem Katalog von Kündigungsgründen kann
zu entnehmen sein, daß bestimmte Risiken von dem Ersterwerber in Kauf genommen werden und
daher auch von dessen Rechtsnachfolgern zu tragen sind. Setzt das Kündigungsrecht zum Beispiel für
bestimmte Tatbestände das Überschreiten einer Betragsschwelle (z.B. Drittverzug in Höhe von mindestens
DM 10 Mio.) oder eines sonstigen Größenordnungskriteriums voraus, so wird in aller Regel
eine Kündigung aus wichtigem Grund mindestens dann nicht möglich sein, wenn der geregelte Tatbestand
- und nur dieser - dem Grunde nach verwirklicht ist, aber nicht in der geregelten Größenordnung.
Eine andere Beurteilung kann sich hingegen ergeben, wenn noch weitere Sachverhalte vorliegen,
die eine Gefährdung von Gläubigerinteressen erkennen lassen.
10/187 Besicherungsklauseln in den Emissionsbedingungen wirken in aller Regel nicht konstitutiv, sondern
berichten nur über zur Verfügung gestellte Sicherheiten. Bestellt werden die Sicherheiten in der Regel
in separaten Urkunden, z.B. einer Garantieerklärung oder einer Grundschuldbestellungsurkunde.
1 Vgl. Bruder/Hirt, Die Bank 1990, 296 ff.
2 BGH WM 1978, 234 (235); BGH WM 1980, 380; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 19 81, Rn 13 4 1; Bruchner in Bankrechts-
Handbuch, 1997, § 79 Rn 41 ff,; Früh, BuB Rn 3/155 ff., jeweils m.w.N.
3 Münchener Komm. z. BGB - Schwerdtner, 2. Aufl. 1988, § 626 Rn 54 m.w.N.
4 Die gegenteilige These wäre bei Schuldverschreibungsbedingungen, die in der Regel AGB sind (s. Rn 10/159 &}/ rechtlich
noch problematischer als bei Darlehensverträgen.
10/68

näheres:

rolfjkoch@web.de