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Montag, 20. Mai 2013

Ist das SchVG noch zu retten?1


Ist das SchVG noch zu retten?1

Dr. Hannes Schneider

I. Übersicht

Was sich wie eine Provokation anlässt, ist eher eine zeitgemäße Frage.
Um es gleich zu sagen: Ich sehe die Kapitalmarkttauglichkeit und die Wettbewerbsfähigkeit
des Gesetzes und damit dessen Akzeptanz bei den Anwendern als gefährdet an. Das Gesetz
findet – von den zwingenden §§ 2 bis 4 abgesehen – nur Anwendung, wenn es von den
Emittenten gemäß der Opt-in-Regelung (§ 5 Abs. 1 S. 1) in den Anleihebedingen berufen
wird. Sehen die Anwender die Regelungen über die Änderung der Anleihebedingungen und
den Treuhänder nicht – nicht mehr – als vorteilhaft an, wählen sie das Gesetz ab. Sei es, dass
sie es nicht berufen. Sei es, dass sie ein fremdes Recht berufen, etwa das englische, welches in
ihrer Sicht die vom Schuldverschreibungsgesetz angestrebten Zwecke angemessener und
besser erreicht. Eine solche Abwendung von dem Gesetz geschähe vermutlich nicht über
Nacht, sondern in einem länger währenden Prozess.
Von dem verunglückten Anfechtungsrecht des § 20 abgesehen: Das Gesetz erfüllt im Großen
und Ganzen seine angestrebten Zwecke und die Bedürfnisse der Praxis. Das Gesetz ist ein
Meilenstein im deutschen Anleiherecht nach der über hundertjährigen Geltung des alten
Schuldverschreibungsgesetzes – dessen Existenz weithin in Vergessenheit geraten war. Das
Gesetz schafft auch den angestrebten Anschluss an das englische und amerikanische Recht –
und kann damit im Wettstreit der Rechte bestehen. Dies alles ist mit dem Vorbehalt
gegenüber dem Anfechtungsrecht gesagt.
Es ist eine kluge Entscheidung des Gesetzgebers, es den Emittenten zu überlassen, ob sie in
Anwendung der Opt-in-Regelung (§ 5 Abs. 1 S. 1) ihre Anleihen den Bestimmungen des
Gesetzes unterwerfen wollen. Das Gesetz unterliegt damit einem fortdauernden
Eignungstest, ob es seinen angestrebten Zwecken, den Bedürfnissen der Praxis und seinem
Ziel, auch international wettbewerbsfähig zu sein, gerecht wird. Solange es diesen Test
1 Herrn Professor Baums danke ich für die ehrenvolle Vortragseinladung. Ich gehe in diesem Beitrag von
meinem Redemanuskript vom 28. Juni 2012 aus, begründe allerdings ausführlicher, was wegen der zeitlichen
Vorgabe nur verkürzt gesagt werden konnte. Die Hinweise sind nicht umfassend und beziehen sich oftmals auf
eine bereits fertiggestellte Arbeit mit weiterführenden Hinweisen. Im streitbaren Diskurs stehen nicht Namen,
sondern Meinungen im Vordergrund.3
besteht, findet es nicht nur Akzeptanz, sondern es steht auch seine Kapitalmarkttauglichkeit
und Wettbewerbsfähigkeit außer Frage. Das eine bedingt das andere.
Das Gesetz wird derzeit noch von den Anwendern akzeptiert.
Die Emissionsprogramme deutscher Emittenten unterstehen heute deutschem Recht, von
zahlenmäßig vernachlässigbaren Ausnahmen abgesehen. Das war anfangs anders: Sie
unterlagen englischem Recht, vereinzelt auch dem New Yorker Recht. In einer
repräsentativen Anzahl von Emissionsprogrammen deutscher und österreichischer Emittenten
optieren rund 2/3 der Programme für das Gesetz. Das ist ein gutes Ergebnis. High Yields
deutscher Emittenten unterlagen vor dem SchVG ausnahmslos dem New Yorker oder dem
englischen Recht. Seither ringt das deutsche Recht auch hier um Geltung; der Durchbruch
aber ist noch nicht ganz geschafft.
Die Bedrohung der Akzeptanz des Gesetzes kommt aus zwei Richtungen.
Einmal aus bedenklicher Gesetzesauslegung und -anwendung in Literatur, Rechtsprechung
und selbst beim Gesetzgeber – auch letzteres ist möglich.
Zum anderen aus dem Anfechtungsrecht gegen Gläubigerbeschlüsse und der damit
verbundenen Kassation des fehlerhaften Beschlusses. Das dem Aktienrecht entlehnte
Anfechtungsrecht ist im Schuldverschreibungsrecht konzeptionell verfehlt. Das Interesse des
überstimmten Gläubigers ist auf Vermögensschutz gerichtet, nicht auf Vernichtung des
Beschlusses. Der Gesetzgeber sollte an die Stelle des Anfechtungsrechts einen
verschuldensunabhängigen Anspruch des dissentierenden Gläubigers auf Wertersatz setzen,
der im Wege der Leistungsklage zu verfolgen ist2
.
Es erweist sich darüber hinaus als geboten, ergänzend eine Nichtigkeitsklage einzuführen,
die die Kassation des Beschlusses bei ungewöhnlich gravierenden Rechtsverstößen
ermöglicht. Diese Rechtsverstöße sollten im Wege des numerus clausus abschließend
bestimmt sein. Hinzu kommen müssten gesetzliche Vorkehrungen, die den Missbrauch einer
solchen Klage erschweren3
.
http://www.ilf-frankfurt.de/uploads/media/ILF_WP_135.pdf

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