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Freitag, 17. Mai 2013

aa) Außerordentliches Kündigungsrecht der Anleihegläubiger..... führt nicht zu einem konkludenten Ausschluss des Rechts zur außerordentlichen Kündigung in den dort nicht ausdrücklich genannten Fällen


aa) Außerordentliches Kündigungsrecht der Anleihegläubiger

119 Die Anleihebedingungen sehen ein außerordentliches Kündigungsrecht der Gläubiger regelmäßig
beim Eintritt von Ereignissen vor, die eine unmittelbar drohende oder bereits
eingetretene finanzielle Krise des Emittenten anzeigen.223 Dazu gehört vor allem der
Verzug des Emittenten mit der Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen aus der Anleihe
oder die Kündigung von Verbindlichkeiten aus anderen Anleihen oder vergleichbaren Finanzierungsinstrumenten
durch deren Gläubiger, sog. Drittverzugsklausel (Cross Default).
22* Aber auch die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen oder der Liquidation
des Emittenten, ein allgemeiner Vergleich mit den Gläubigem des Emittenten, die Einstellung
der gesamten oder eines wesentlichen Teils der Geschäftstätigkeit des Emittenten, ein
Antrag auf Eröffnung eines Insolvenz verfahrens usw. können als außerordentliche Kündigungsgründe
festgelegt sein.225

120 Bei diesen in der Mehrheit der Kündigungskataloge zu findenden Kündigungsgründen
handelt es sich um Tatbestände, die auch ohne ausdrückliche Vereinbarung nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben bei Dauerschuldverhältnissen den Gläubigern das
Recht einräumen, den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen (§314 BGB).226 Als
wichtige Gründe kommen insbesondere Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens
in die Person des Schuldners oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse in Betracht,
welche die Fortsetzung der vertraglichen Bindung nicht zumutbar erscheinen lassen.
Da Anleihen Dauerschuldverhältnisse begründen,227 kann das Recht zur Kündigung
aus wichtigem Grund nicht ohne Weiteres ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dies
gilt vor allem im Falle der Insolvenz oder des Verzugs des Emittenten bei der Zahlung von
Zinsen oder Kapital oder anderen gravierenden Ereignissen.228 Auch die Tatsache, dass der
Anleger seine Schuldverschreibungen an einer Wertpapierbörse veräußern kann, rechtfertigt
einen Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechts nicht. Die Praxis zeigt, dass
bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung der Kurs der An-

leihe in aller Regel so erheblich sinkt, dass ein Verkauf aus Sicht des Anlegers keine Alternative
zur Kündigung zum Nominalbetrag darstellt.229

Der Umstand, dass Anleihebedingungen in der Praxis meisl einen ausführlichen Kündi- 121
gungskatalog enthalten, führt nicht zu einem konkludenten Ausschluss des Rechts zur
außerordentlichen Kündigung in den dort nicht ausdrücklich genannten Fällen.230
Wie bereits erwähnt, kann das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nicht abbedungen
werden, auch nicht konkludent. Emissionsbedingungen von Anleihen und Zertifikaten, die
einen Katalog der außerordentlichen Kündigungsgründe enthalten und diese dabei als abschließend
bezeichnen oder den Eindruck erwecken, dass eine außerordentliche Auflösung
nur aus den ausdrücklich genannten Gründen zulässig ist, würden eine Prüfung nach dem
Maßstab des Transparenzgebots gemäß § 3 nicht bestehen.


Frankfurter Kommentar 41
zum Schuldverschreibungsgesetz
Herausgegeben von
Dr. Markus J. Friedl, LL.M.
Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
und
Dr. Mauricio Hartwig-Jacob, LL.M.
Banksyndikus, Frankfurt am Main
Bearbeitet von
RA Dr. Markus J. Friedl, LL.M.
Dr. Mauricio Hartwig-Jacob, LL.M.
RA Dr. Arne C. Lawall
RA Dr. Roland Schmidtbleicher
RA Karsten Wöckener, LL.M.
R Ain Dr. Alexandra Zech


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