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Montag, 22. Juli 2013

04.04.2006 Das Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen (SchVerschrG) ist grundsätzlich auf Genussscheine nicht anwendbar

PDF-Datei2-09 T 133/06

04.04.2006Das Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen (SchVerschrG) ist grundsätzlich auf Genussscheine nicht anwendbar



2-09 T 133/06 Landgericht Frankfurt am Main  75 AR 1/06 Amtsgericht Frankfurt am Main    
Landgericht Frankfurt am Main  
Beschluss  
In dem Verfahren wegen Ermächtigung zur Einberufung einer Gläubigerversammlung nach § 4 SchVerschrG,   
an dem hier beteiligt sind:  
1.) B.,   
       -Antragsteller und Beschwerdeführer-  
Verf.bev.: RAe Dr. S. u. Koll.,   
2.) A.   
                - Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -   
Verf.bev.: RAe S u. Koll.,  
3.) B              -weitere Beteiligte-  
hat das Landgericht Frankfurt am Main, 9. Zivilkammer, auf die sofortige Beschwerde 
des Antragstellers vom 24.03.2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichtes Franfurt 
am Main vom 20.03.2006 am 04.04.2006 beschlossen:   
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.   
 -2  -  
Der Antragsteller hat die außergerichtlichen Kosten der 
Antragsgegnerin zu tragen.  
Der Beschwerdewert wird auf  € festgesetzt.    
Gründe  
I. 
Der Antragsteller begehrt die Ermächtigung zur Einberufung einer 
Gläubigerversammlung nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die gemeinsamen 
Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen (im folgenden SchVerschrG).  
Die Antragsgegnerin ist eine Hypothekenbank mit Sitz in Frankfurt am Main, die aus 
einer Verschmelzung der R. AG mit der A. AG hervorgegangen ist. Letztere hatte im 
Jahr 1996 zur Deckung ihres Finanzbedarfs unter anderem die in einer 
Sammelurkunde verbrieften Genussscheine 1996/2006 mit der 
Wertpapierkennnummer 800285 (ISIS DE 0008002858) ausgegeben. Die 
Genussscheine wurden eingeteilt in 100.000 untereinander gleichberechtigten 
Genussscheinen mit einem Nennbetrag von jeweils 1.000,- DM. Sie sind im Juni 
2006 zur Rückzahlung fällig.   
Der Antragsteller ist Inhaber von 20.000 der oben bezeichneten Genussscheine. 
Nach § 2 der Genussscheinbedingungen gewähren die Genussscheine eine dem 
Gewinnanteil der Aktionäre vorgehende jährliche Ausschüttung von 8% des 
Nennbetrages des Genussscheins. Die Ausschüttung auf die Genussscheine ist 
dadurch begrenzt, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen darf. Nach § 4 der 
Genussscheinbedingungen werden die Genussscheine vorbehaltlich der 
Bestimmungen des § 6 der Genussscheinbedingungen zum Nennbetrag 
zurückgezahlt. § 6 der Genussscheinbedingungen lautet wie folgt:  
„Die Genussscheininhaber nehmen am Bilanzverlust der Bank in voller Höhe durch 
Verminderung ihrer Rückzahlungsansprüche und zwar im Verhältnis der 
Rückzahlungsansprüche zu dem jeweils ausgewiesenen sonstigen Eigenkapital 
 -3  -  
gemäß § 10 Kreditwesengesetz teil.“ Wegen des weiteren Inhalts der 
Genusscheinbedingungen wird auf die Abschrift der Genussscheinbedingungen, 
Anlage 1 zur Antragsschrift vom 16.02.2006 (Bl. 52 ff. d.A.), Bezug genommen.   
Während in einem Zwischenbericht der Antragsgegnerin vom 30.09.2005 mitgeteilt 
wurde, dass sie in neun Monaten einen Gewinn von 13,8 Mio. Euro erwirtschaftet 
habe, erklärte sie in einer Ad-hoc-Meldung vom 02.01.2006, dass sie für das 
Geschäftsjahr 2005 mit einem negativen Nachsteuerergebnis zwischen 1,1 und 1,3 
Milliarden Euro rechne, so dass, in Anbetracht des zu erwartenden Bilanzverlustes, 
das durch Genussscheingläubiger und stille Beteiligte bereit gestellte haftende 
Eigenkapital maßgeblich in Anspruch genommen werde, was für die 
Genusscheininhaber eine Verminderung des Rückzahlungsanspruches in Höhe von 
70% -75 % bedeuten würde.   
Nachdem die Antragsgegnerin dem Verlangen des Antragstellers auf Einberufung 
einer Gläubigerversammlung gemäß den Bestimmungen des 
Schuldverschreibungengesetzes nicht stattgab, beantragte er beim Amtsgericht die 
Ermächtigung zur Einberufung einer solchen nach § 4 SchVerschrG, wobei die 
Beteiligten über die Anwendbarkeit des Gesetzes auf Genusscheine der hier 
vorliegenden Art streiten.   
Der Antragsteller ist der Ansicht gewesen, dass es sich bei den von ihm erworbenen 
Genussscheinen um Schuldverschreibungen mit im voraus bestimmten Nennwert 
handelt. Dies gelte auch unter Berücksichtigung, dass der Rückzahlungsanspruch 
nach § 6 der Genussscheinbedingungen am Bilanzverlust der Antragsgegnerin 
teilnimmt.   
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie ist der Ansicht gewesen, 
das SchVerschrG sei nicht auf Genussscheine, die am Bilanzverlust des Emittenten 
teilnehmen, anwendbar.   
Das Amtsgericht holte eine Stellungnahme der Beteiligten zu 3) ein. Wegen des 
Inhalts der Stellungnahme wird auf das Schreiben der Beteiligten zu 3) vom 
09.03.2006, Bd. II, Bl. 44 f. d.A.) verwiesen.  
 -4  -   
Mit dem angegriffenen Beschluss wies das Amtsgericht den Antrag auf Ermächtigung 
zur Durchführung einer Gläubigerversammlung zurück. Hiergegen legte der 
Antragsteller unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens sofortige 
Beschwerde ein und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung 
dahingehend, dass er ermächtigt werde, eine Gläubigerversammlung der Inhaber der 
oben genannten Genussscheine einzuberufen.   
Die Antragsgegnerin hatte vor Eingang der Beschwerdeschrift in Erwartung des 
Antrags auf einstweiligen Rechtsschutzes eine Schutzschrift eingereicht, in welchem 
sie im wesentlichen ebenfalls ihr Vorbringen aus erster Instanz wiederholt.   
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten 
gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen verwiesen.   
II.  
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft und fristgemäß 
eingereicht worden, §§ 4 Abs. 4 S. 2 SchVerschrG, 22 Abs. 1 FGG.   
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Gesetz betreffend die gemeinsamen 
Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen ist auf die Genussscheine der hier 
vorliegenden Art nicht anwendbar. Dies setzt nämlich das Vorliegen von 
Schuldverschreibungen mit im voraus bestimmten Nennwert voraus, § 1 Abs. 1 
SchVerschrG. Hierunter sind Schuldverschreibungen zu verstehen, die einen festen 
und der Höhe nach endgültig bestimmten Zahlungsanspruch gewähren [Reuter, NJW 
1984, S. 1849 ff. (1854) m.w.N., Sethe, AG 1993, S. 351 ff (354 f.), Hammen, BB 
1990, S. 1917 ff. (1920) ]. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, 
insbesondere aus § 12 Abs. 3 SchVerschrG. Danach ist die Gläubigerversammlung 
nicht befugt, einen Beschluss über den Verzicht auf die dem Nennwert der 
Schuldverschreibungen entsprechenden Kapitalansprüche zu fassen. Das Gesetz 
legt folglich das Vorliegen eines Kapitalanspruchs, der mindestens in Höhe des 
Nennwertes der Schuldverschreibung besteht, zugrunde. Andernfalls wäre die 
Regelung obsolet. Auch die systematische Auslegung spricht gegen die 
Anwendbarkeit des SchVerschrG auf die vom Antragsteller erworbenen 
 -5  -  
Genussscheine. Die Regelungen der §§ 12 Abs. 3, 11 Abs. 1 SchVerschrG, wonach 
ein Verzicht auf den Rückzahlungsanspruch nicht möglich ist und die Aufgabe und 
Beschränkung der Gläubigerrechte, insbesondere Ermäßigung des Zinssatzes und 
Bewilligung der Stundung, würden vorliegend, ins Leere laufen, da bereits in den 
Genusscheinbedingungen eine Verlustbeteiligung sowie Ausschüttungssperre 
vorgesehen ist (Reuter a.a.O.). Dass sich die Genussscheininhaber neben der 
Verlustbeteiligung im Rahmen des Rückzahlungsanspruchs, die nach § 12 Abs. 3 
SchVerschrG schon gar nicht möglich wäre, und der Ausschüttung freiwillig weiteren 
Einschränkungen unterwerfen würden, erscheint praxisfern und würde gegen den 
Schutzgedanken des SchVerschrG, nämlich die Sicherung der Gläubigerrechte, 
laufen.   
Entgegen der Ansicht des Antragstellers stellen die hier streitgegenständlichen 
Genussscheine auch keine Schuldverschreibungen mit im Voraus bestimmten 
Nennwert dar. Zwar wird nach § 4 der Genussscheinbedingungen der 
Rückzahlungsanspruch aus den einzelnen Genussscheinen der Höhe nach begrenzt 
auf den Nennbetrag, jedoch ist hierin nicht die Festlegung eines der Höhe nach 
abschließend bestimmten Anspruchs zu sehen, da nach § 6 der 
Genussscheinbedingungen die Höhe der Auszahlung von dem Bilanzergebnis 
abhängig ist. Die von dem Antragsteller erworbenen Genussscheine verbriefen damit 
durch ihre Verlustbeteiligung sogenannte „aktienähnliche“ Genussrechte und 
begründen keinen der Höhe nach fest bestimmten Rückzahlungsanspruch. Soweit 
teilweise auf Genussscheine, die einen Rückzahlungsanspruch in Höhe des 
Nennbetrages abzüglich der Verlustbeteiligung, das SchVerschrG für anwendbar 
gehalten wird (so u.a. Lutter, Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 221 Rn. 268, 
Habersack, Münchner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 221 Rn. 252), ist dem nicht 
zu folgen, da zum einen bereits der Wortlaut des Gesetzes gegen seine Anwendung 
auf Genusscheine mit nicht fest bestimmten Rückzahlungsansprüchen spricht. Zum 
anderen tragende Vorschriften des Gesetzes (§ 12 Abs. 3, 11 Abs. 1 SchVerschrG) 
nahezu ausgehöhlt werden würden.   
Für eine analoge Gesetzesanwendung besteht in Ermangelung einer planwidrigen 
Gesetzeslücke kein Raum. Der Antragsteller ist durch die bestehende 
Rechtsordnung ausreichend geschützt. Es steht ihm frei, eventuell bestehende 
 -6  -  
Auskunfts- oder Zahlungsansprüche im Zivilprozess geltend zu machen oder eine 
Interessengemeinschaft zu gründen.   
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 131 Abs. 1 u. 2, 30 Abs. 1 KostO, 13 a 
FGG. Der Beschwerdewert wurde hierbei auf 1/20 des voraussichtlichen 
Verlustbetrages des Antragstellers, ausgehend von einer behaupteten Verlustquote 
von 70 %, festgesetzt.     
F     R     N Vors. Richterin am LG   Richter am LG    Richterin am LG 

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