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Samstag, 31. Mai 2014

zu was für Konfliktsituationen und Ungleichbehandlungen es bei GV nach SchVG kommen kann // Reichsgericht um 1900

Als Beispiel mag ein durch das Reichsgericht entschiedener Fall dienen.88 Hier
hatte ein Bankhaus große Teile einer Anleihe aufgekauft und per Beschluss
einen massiven Zinsverzicht und eine Stundung erreicht. Das geschah offensichtlich,
um andere Forderungen der gleichzeitig an der Emittentin beteiligten
Bank mit der gewonnenen Liquidität zu versorgen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz
reicht in diesen Situationen Für einen effektiven
Schutz der Minderheit vor kollektiv irrationalen Beschlüssen der Mehrheit
nicht aus. Es muss eine Inhaltskontrolle der Mehrheitsbeschlüsse hinzutreten.
Wird dieser Schutz versagt und sind kollektiv irrationale Beschlüsse
möglich, verliert die Mehrheitsentscheidung ihre Funktion, kollektiv rationales
Handeln der Anleihegläubigermehrheit als single owner zu ermöglichen.
89 Eine so verstandene Inhaltskontrolle d a rf freilich nicht jeden Mehrheitsbeschluss,
der negative Wirkungen hat, erfassen. Sic muss bloß sicherstellen,
dass der Beschluss für die Anleihegläubigermehrheit objektiv
nützlich ist.90 Die Anpassung der Anleihebedingungen entfaltet objektiven
Nutzen, wenn die angepassten Anleihebedingungcn einen höheren oder
gleichen Net Present Value anstreben als die bestehenden Bedingungen.91
Das Kriterium des anzustrebenden höheren oder zumindest gleichen Net
Present Value entspricht zugleich dem Charakter der Schuldverschreibung
als rein kapitalistischer Anlage. Ein weitergehender Rechtsverzicht mittels
Mehrheitsbeschluss widerspräche dem Zweck der Schuldverschreibung als
Fremdkapitaltitel. Er kann nur in einem Insolvenzverfahren erfolgen, das
au f einem anderen sozialen und institutionellen Setting beruht.92 Eine Inhaltskontrolle

RGZ 148, 3 und RGZ 153, 52

S 88 Schmidtbleicher, Anleihengläubigermehrheit

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