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Samstag, 31. Mai 2014

Das Anleiherecht kennt keine dem Aktienrecht als Verbandsrecht vergleichbare Treuepflicht eines Gläubigers gegenüber allen übrigen Gläubigern oder gar gegenüber dem Schuldner. // das höre und lese ich gerne......

Das Gesetz verlangt nicht, dass die Beschlüsse der Gläubiger zu ihrer Wirksamkeit die "gemeinsamen Interessen" aller Gläubiger wahren. Es anerkennt, dass Gläubiger (lediglich) individuelle Forderungsrechte an den Schuldner haben, und dass ihr Abstimmungsverhalten durch unterschiedliche persönliche und wirtschaftliche Interessen bestimmt ist und bestimmt sein darf.

Das Anleiherecht kennt keine dem Aktienrecht als Verbandsrecht vergleichbare Treuepflicht eines Gläubigers gegenüber allen übrigen Gläubigern oder gar gegenüber dem Schuldner. Dies ist nicht allein die Folge eines ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatzes. Es findet vielmehr positiven Ausdruck in der Abkehr des Gesetzes von einem Kernprinzip des alten Gesetzes, das die Beschlüsse der Gläubiger der Wahrung der allgemeinen Interessen aller Gläubiger zu dienen haben. Der Befund wird zudem nachhaltig bestärkt durch das Fehlen in § 20 SchVG einer dem § 243 Abs. 2 AktG vergleichbaren Vorschrift. Nach § 243 Abs. 2 Satz 1 AktG kann die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses darauf gestützt werden, "dass ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden ... der anderen Aktionäre zu erlangen sucht", soweit der Beschluss geeignet ist, diesem Zweck zu dienen. § 20 SchVG fußt in der Bestimmung der Anfechtungsgründe auf § 243 AktG, bis in die Wortwahl. Bei der akribischen Übertragung von aktienrechtlichen Anfechtungsnormen in das SchVG liegt in der fehlenden Übernahme einer dem § 243 Abs. 2 AktG entsprechenden Bestimmung in das SchVG nicht eine versehentliche Unterlassung, sondern eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Eine analoge Anwendung des § 243 Abs. 2 AktG verbietet sich mithin.
Das Gesetz respektiert damit auch, dass ein Gläubiger konkurrierende Interessen haben mag und sein Abstimmungsverhalten danach richtet. Zu denken ist beispielsweise an den Fall eines Großgläubigers, der an den in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Schuldner außer den Forderungen aus den Schuldverschreibungen eine Darlehensforderung hat, und der zwecks "Aufwertung" seiner Darlehensforderung mit seiner Stimmenmacht einen Beschluss bewirkt, etwa über einen teilweisen Kapitalverzicht für alle Schuldverschreibungen oder auch über die Nachrangigkeit aller Schuldverschreibungen gegenüber anderen Verbindlichkeiten des Schuldners, die Darlehensverbindlichkeit eingeschlossen. Das Gesetz nimmt auch derartige Konstellationen in Kauf.12

S7, 8

Hannes Schneider
Ist das SchVG noch zu retten?
Institute for Law and Finance
WORKING PAPER SERIES NO. 135
3/2013

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