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Montag, 4. März 2013

im Zusammenhang mit der WGF AG Insolvenzeigenverwaltung kann ich allen Inhabern der erstrangigen HypoAnleihen nur empfehlen sich intensiv mit dem SchVG a.F. und n.F. auseinanderzusetzen.....


3. Probleme des Schuldverschreibungsrechts

a) Unternehmensanleihen sind Schuldverschreibungen auf den Inhaber Im Sinne
des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 793 ff.). Das in der Unternehmensfinanzierung
übliche Phänomen der massenhaften Begebung von Inhaberschuldverschreibungen
war schon bei Schaffung des BGB im 19. Jahrhundert bekannt. Als
Teil des Handelsrechts hat es der Gesetzgeber jedoch gesondert kodifiziert, nämlich
im „Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen“
- im Folgenden: SchVG a.F. -, welches gemeinsam mit dem BGB
in Kraft trat. Dieses Gesetz ordnete eine gewisse Verbindlichkeit von Gläubigerbeschlüssen
an, betreffend Anleihen, die in Deutschland nach deutschem Recht
begeben sind. Zum Zwecke der gemeinschaftlichen Vertretung oder der Begrenzung
der Gläubigerrechte können Gläubigerversammlungen einberufen und abgehalten
werden; zudem regelte das Gesetz Besonderheiten eines Schuldners,
der sich in einem Konkursverfahren befand. Das Gesetz erlaubte indessen nur
relativ geringfügige Eingriffe in die Rechte der Gläubiger, insbesondere keinen
Forderungsverzicht, und es war nur auf Anleihen anwendbar, die ein Inländer begab.
Auf Ausländsanleihen - auch deutscher Emittenten - war es nicht anwend16
bar, und wegen der mangelnden Sanierungseignung geriet es in der Vergangenheit
nahezu außer Anwendung. Ein Kommentar zum Gesetz, der nach dem 2.
Weltkrieg erschienen wäre, ist mir nicht bekannt geworden und Rechtsprechungen
aus dieser Zeit sind nicht überliefert.

b) Das Schuldverschreibungsrecht wurde anlässlich der Insolvenzrechtsreform
1994 der Terminologie der Insolvenzordnung angepasst. Artikel 53 EGInsO ersetzte
dann die Terminologie (Insolvenz statt Konkurs) und fügte in das Gesetz
einen § 19a ein, der für einen Insolvenzplan bestimmte, dass allen Gläubigern
gleiche Rechte anzubieten seien. Hierdurch sollten nun erstmals Forderungsverzichte
zum Zwecke der gerichtlichen Unternehmenssanierung ermöglicht werden.
Für den Insolvenzplan wurde deshalb das Verbot eines Forderungsverzichts nach
§ 12 Abs. 3 SchVG a.F. für den Fall des Insolvenzplans suspendiert.
Nach langen Diskussionen wurde das Schuldverschreibungsrecht im August
2009 modernisiert durch das Schuldverschreibungsgesetz (im Folgenden: SchVG
n.F.). Dieses Gesetz erfasst aber nicht Schuldverschreibungen, die vor seinem
Inkrafttreten (05.08.2009) ausgegeben wurden. Es gilt sozusagen nur für Neuanleihen,
§ 24 Abs. 1 SchG n.F. Da sich die Platzierung von Anleiheemissionen
meist über einen längeren Zeitraum hinzieht, ist das für die Einhaltung des Stichtags
maßgebliche Datum das in dem jeweiligen Wertpapierprospekt gemäß EUProspektverordnung
ausgewiesene Emissionsdatum (Veranneman, Kommentar
zum Schuldverschreibungsgesetz, 1. Auflage 2010, Rdnr. 4 zu § 24). Für den
vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die in der Tabelle (oben II./2) aufgeführten
Anleihen teilweise dem alten und im Übrigen dem neuen Recht unterfallen. Allerdings
hätten die Gläubiger der Altanleihen die Möglichkeit, durch einen Beschluss
mit qualifizierter Mehrheit zu vereinbaren, dass die „Wahlmöglichkeiten" des
neuen Schuldverschreibungsgesetzes auch für die Altanleihen gelten, § 24 Abs.
2 SchVG n.F.

c) Für die Geltendmachung der Rechte und Ansprüche aus einer Anleihe unterscheiden
beide Schuldverschreibungsgesetze:
- Gläubigerversammlungen vor einer Insolvenz;
- Gläubigerversammlungen in einer Insolvenz;
- Geltendmachung der Rechte durch einen gemeinschaftlichen Vertreter.

d) Das neue Schuldverschreibungsgesetz erlaubt Mehrheitsbeschlüsse der
Gläubiger (§ 5 SchVG n.F.), verlangt aber für Änderungen der Anleihebedingungen,
insbesondere Forderungsverzichte, eine Mehrheit von 75 % (§ 1 Abs. 3, 4
SchVG n.F.). Die Gläubigerversammlung kann unter anderem vom Schuldner
einberufen werden (§ 9 SchVG n.F.), sie ist beschlussfähig, wenn 50 % der Anleihesumme
erschienen oder vertreten sind; anderenfalls könnte eine zweite Versammlung
einberufen werden, die aber für Forderungsverzichte immer noch von
25 % der Anleihegläubiger besucht sein muss, § 15 Abs. 3 SchVG n.F.
Ein gemeinsamer Vertreter hätte schon in den Anleihebedingungen bestellt werden
können (§ 8 SchVG n.F. - dies ist vorliegend nicht geschehen). Anderenfalls
wird er durch die Gläubigerversammlung gewählt. Er kann folgende Befugnisse
haben:
- Geltendmachung der gesamten Gläubigeransprüche unter Ausschluss der Anleiheinhaber,
§ 7 Abs. 2 Satz 3 SchVG n.F.;
- Geltendmachung der Rechte im Insolvenzverfahren, § 19 Abs. 3 SchVG n.F.
Sobald über das Vermögen des Emittenten ein Insolvenzverfahren eröffnet ist,
unterliegen die Beschlüsse der Gläubiger lediglich den Bestimmungen der Insolvenzordnung,
§ 19 Abs. 1 Satz SchVG n.F. Einziger Tagesordnungspunkt ist nur
noch die Wahl eines gemeinschaftlichen Vertreters, welcher - unter zwingendem
Ausschluss der Anleihegläubiger selbst - deren Rechte im Insolvenzverfahren
wahrnimmt. Nach der amtlichen Begründung zum Schuldverschreibungsgesetz
n.F. ist nämlich die einheitliche Vertretung aller Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren
durch einen gemeinschaftlichen Vertreter erwünscht, um solche Verfahren
zügig abwickeln zu können (Regierungsentwurf, BT - DS 16/12814 vom
29.04.2009, Seite 25 (zu § 19)).

e) Auch das alte Schuldverschreibungsrecht kannte Mehrheitsbeschlüsse durch
Gläubigerversammlungen, aber bis zur Einführung des § 19a SchVG a.F. im Jahre
1994 war die Möglichkeit eines Forderungsverzichts nicht gegeben. Zur Beschlussfähigkeit
sah das alte Gesetz nichts vor, für die Beschlüsse selbst galt das
Prinzip der einfachen Mehrheit, § 10 Abs. 1 SchVG a.F. Allerdings sah § 11 Abs.
2 SchVG a.F. das Erfordernis einer 75%igen Präsenzmehrheit bei absoluter
Mehrheit der Stimmen für den Fall vor, dass durch den Beschluss „Rechte der
Gläubiger aufgegeben oder beschränkt werden“. Solche Aufgabe oder Beschränkungen
war aber ohnehin nur hinsichtlich der Zinsen oder einer befristeten Stundung,
nicht aber wegen des Kapitals möglich, § 11 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3
SchVG a.F.
Für den Insolvenzfall ordnete § 18 SchVG a.F. an, dass eine besondere Gläubigerversammlung
vom Gericht einzuberufen und zu leiten sei, wenn noch nicht
über einen gemeinsamen Vertreter beschlossen worden war. Zu Einberufungsformen,
Fristen und Quoren verhielt sich das alte Gesetz gar nicht. Die Möglichkeit
eines Forderungsverzichts durch die Gläubiger bzw. die gemeinschaftlichen
Vertreter war aber durch § 19a Abs. 2 SchVG a.F. betreffend das Insolvenzplanverfahren
seit 1994 ausdrücklich gegeben.

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